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hinter das Hoftor
zent verfügten die Betriebsbesitzer-/innen über anderweitiges Einkommen in nen-
nenswertem Ausmaß. Jene 266 Betriebe oder 17 Prozent, über die keine Angaben
vorliegen, sind aufgrund ihrer geringen Flächenausstattung wohl überwiegend den
Nebenerwerbsbetrieben zuzurechnen. Unter den genannten Berufen finden sich 59
Hilfsarbeiter/-innen, 50 Maurer, 31 Zimmermänner, 29 im Ausgedinge, in Pension
oder von Renten lebende Personen, 22 landwirtschaftliche Taglöhner/-innen, 21
Gastwirtinnen und Gastwirte, 19 Forstarbeiter, 15 Fabriksarbeiter/-innen, zwölf
Eisenbahner, elf Wagner, elf Schuhmacher und 170 weitere Berufstätige, vom Ro-
manschriftsteller bis zur Eiersammlerin (Abbildung 2.18). Allein diese Rangliste
vermittelt bereits einen Eindruck von den Überlappungen der Land- und Forst-
wirtschaft mit anderen Wirtschaftszweigen ; von einem trennscharf abgegrenzten
Agrarsektor konnte keine Rede sein.
Um diesen groben Eindruck zu verfeinern, vergleichen wir die regionalen Er-
werbsmuster (Tabelle 2.12). In der Region Matzen wurden, den Aufzeichnungen
zufolge, 312 Betriebe oder 65 Prozent im landwirtschaftlichen Haupterwerb ge-
führt – ein überraschend hoher Wert, der aufgrund dreier Quellenmängel zwei-
felhaft erscheint : Erstens sind die Auersthaler Zwerg- und Kleinbetriebe nur
bruchstückhaft dokumentiert. Zweitens gaben die Erhebungsorgane offenbar die
landwirtschaftliche Taglohnarbeit der Kleinhäusler/-innen, die in dieser Region
die Regel war,145 nicht an ; sie beschränkten ihre Eintragungen auf gewerbliche Be-
rufe. Drittens fehlt in 154 Fällen oder 32 Prozent die Angabe des Haupterwerbs-
zweigs ; da deren Kulturfläche fast ausschließlich unter fünf Hektar lag, handelt es
sich offenbar überwiegend um Nebenerwerbsbetriebe – eine Annahme, die durch
den zwerg- und kleinbetrieblichen Zuschnitt der 17 Betriebe oder 4 Prozent mit
außeragrarischem Haupterwerb bekräftigt wird. Die Haupterwerbsbetriebe zeigen
einen getreide-, hackfrucht- und weinbauwirtschaftlichen Schwerpunkt ; unter den
Nebenerwerbsbetrieben stechen Getreide-Weinbau- und Hackfrucht-Weinbau-
wirtschaften etwas hervor.
Weitaus verlässlichere Angaben liegen zur Region Mank vor ; denn hier sind
die Zwerg- und Kleinbetriebe weitgehend dokumentiert, die landwirtschaftliche
Taglohnarbeit wird angegeben und die 76 Fälle oder 12 Prozent mit fehlenden
Angaben halten sich in Grenzen. Die 339 Haupterwerbsbetriebe oder 55 Prozent
waren erwartungsgemäß mittel- und großbetrieblich sowie getreidewirtschaftlich
akzentuiert. Doch sie enthalten auch Nebenerwerbsbetriebe mit zumindest mit-
telbetrieblichem, wenn auch hackfruchtwirtschaftlichem Zuschnitt, die häufig mit
Gasthäusern, Mühlen, Fleischhauereien, Sägewerken und Schmiedewerkstätten
verbunden waren. Das Gros der Nebenerwerbsbetriebe, etwa die der Hilfsarbeiter/-
innen, Zimmermänner, landwirtschaftlichen Taglöhner/-innen und Maurer, be-
schränkte sich jedoch weitgehend auf Größen unter fünf Hektar Kulturfläche.
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937