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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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114 Anatomie eines „lebenden Organismus“ V/A-Quotienten, hohe Arbeits- sowie niedrige Vieh- und Maschinenintensität, Landwirtschaft als Hauptbetrieb und häufige Zupacht von Parzellen. Am Anwe- sen des Kleinhäuslers Johann Futterknecht in Raggendorf lassen sich die Wein- hauerfamilien genauer konturieren. Die Weinbauwirtschaft umfasste einen Hek- tar Eigenbesitz und 0,4 Hektar Pachtland, wovon ein Hektar als Acker und 0,4 Hektar als Weingarten genutzt wurden. Sechs Zehntel des Ackerlandes nahm das Getreide ein, drei Zehntel Kartoffeln und Gemüse und ein Zehntel das Feldfutter. Johann Futterknecht bearbeitete den Zwergbesitz gemeinsam mit einer erwachse- nen Familienarbeitskraft, vermutlich seiner Frau ; das ergab eine überdurchschnitt- liche Arbeitsintensität von 1,4 AKE. Außer zehn Legehennen scheint in der Kleinbetriebsliste keinerlei Vieh auf ; auch Maschinen sind keine dokumentiert. Im Haushalt des Weinbauernpaares lebte noch eine zu versorgende erwachsene Person, vielleicht ein Elternteil des Mannes oder der Frau. Mit 1,5 Personen lag der V/A-Quotient im Durchschnitt. Für Johann Futterknecht wurde keine au- ßerbetriebliche Erwerbstätigkeit genannt. Dennoch ist davon auszugehen, dass er und seine Frau zu den Arbeitsspitzen in den Weingärten und auf den Äckern der umliegenden Bauern aushalfen ; im Gegenzug stellten ihnen die Bauern ihre Fuhrwerke für die Ackerbestellung zur Verfügung. Die Weinhauerfamilien waren in ein kleinräumiges und langfristiges Netz wechselseitiger Arbeitsbeziehungen eingebunden161  – ein dichtes Flechtwerk, das den grobmaschigen Kategorien der amtlichen Agrarstatistik zwangsläufig entgeht.162 Die ebenfalls auf die Region Matzen beschränkten, in Auersthal gehäuften Kleinbauernfamilien unterschieden sich von den Weinhauerfamilien durch größere Anteile des Ackerlandes, größere Kulturflächen, meist zwischen zwei und fünf Hektar, durchschnittliche Arbeitsintensität und höheren Mechanisierungsgrad. Eine typische Vertreterin war die Getreide-Weinbauwirtschaft von Leopold Fürst und seiner Frau in Auersthal. Das Paar bewirtschaftete 3,2 Hektar, verteilt auf 2,8 Hektar Acker und 0,4 Hektar Weingarten. Auf sechs Zehntel des Ackers ge- dieh Getreide, vor allem Roggen und Körnermais, weiters Weizen und Gerste ; die restlichen vier Zehntel verteilten sich auf Kartoffeln und Futterrüben sowie Klee. Die Eheleute beschäftigten weder Gesinde noch Taglöhner ; ihre Arbeitsintensi- tät erreichte durchschnittliche 0,6 AKE pro Hektar. Im Stall befanden sich zwei Milch- und Arbeitskühe, ein Kalb, drei Mastschweine, eine Ziege und 14 Hühner, zusammen 3,2 GVE ; daraus ergab sich eine überdurchschnittliche Viehintensität von 1,0 GVE pro Hektar. Da ein nicht mitarbeitender Erwachsener, vielleicht ein Elternteil des Mannes oder der Frau, im Haushalt verköstigt wurde, stieg der V/A- Quotient auf 1,5 Personen  – ein durchschnittlicher Wert. Die jährliche Markt- leistung der Kleinbauernwirtschaft, sechs Doppelzentner Roggen, war bescheiden ; dabei ist die verkaufte Weinmenge unbekannt. Im Unterschied zu Weinhauerfa-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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