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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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117Im Raum der Gutswirtschaft hingegen die innige Verbindung zwischen Wirtschaftsbesitzer und Arbeitsträ- ger weitgehend, schon aus Gründen der Größe des Besitzes, weg“.169 Die scharfe Scheidung von bäuerlicher und gutsherrschaftlicher Siedlung verweist auf die identitätspolitische Position, die der Großgrundbesitz als Schlüsselsymbol im na- tionalsozialistischen Agrardiskurs einnahm : Er bezeichnete das Andere, das dem Eigenen  – dem „deutschen Landvolk“  – Kontur verlieh. Die Existenz des Groß- grundbesitzes im östlichen Niederdonau wurde gleichgesetzt mit dem wirtschaft- lichen und ethnischen Existenzverlust des Bauerntums, dem Aufkauf „deutschen“ Bauernlandes und der Ansiedlung einer „fremdvölkischen“ Landarbeiterschaft. Sinngemäß übersteigerte der Autor den Gegensatz von Bauerndorf und Gutshof zu einer Art Existenzkampf : „Unser deutsches Land an der Ostgrenze des Reiches bedarf wieder einer stärkeren Verbäuerlichung, um den Aufgaben der Sicherung des Reichsgebiets gewachsen zu sein.“170 Der österreichische Großgrundbesitz war nicht erst in der NS-Ära, sondern bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert Gegenstand agrarpolitischer und agrarökonomischer Debatten. Sozialistische Politiker wie liberale Ökonomen führte seine ökonomische Existenz übereinstimmend auf außerökonomische Be- dingungen  – das „Raubrittertum der Grundherren“ (Otto Bauer) oder schlicht auf „Gewalt“ (Ludwig Mises)  – zurück.171 Die Debatte über den Gutsbetrieb in der NS-Ära knüpfte an (alt-)österreichische, vor allem aber an Wurzeln im deutschen Kaiserreich an. Agrarfachleute unterschiedlicher Couleurs sahen seit den 1890er Jahren in der gutsbetrieblichen Agrarverfassung der ostelbischen Gebiete einen Hauptschuldigen für die „Landflucht“ deutscher Landarbeiter/-innen und für ih- ren Ersatz durch polnische Saisonarbeitskräfte auf den junkerlichen Gütern. Der Großgrundbesitz galt im herrschenden Agrardiskurs nicht nur als volkswirtschaft- liches, sondern  – angesichts der befürchteten „Polonisierung“ (Max Weber)  – auch als „volkspolitisches“ Übel ; als probates Gegenmittel erschien die Förderung der bäuerlichen Siedlung.172 In diesem Diskursumfeld radikalisierte der antisemitische Zug des Nationalsozialismus die Gegnerschaft zwischen  – meist als „jüdisch“ eti- kettiertem  – Großgrundbesitz und „deutschem Bauerntum“. Trotz seiner Präsenz als Debattengegenstand ist der Großgrundbesitz als sta- tistische Größe schwer zu fassen. Die landwirtschaftliche Betriebszählung 1939 klassifizierte alle Betriebe mit 100 oder mehr Hektar bewirtschafteter Fläche als „Großbetriebe“. Diese Zähleinheit umfasste jedoch äußerst unterschiedliche Be- triebs- und Haushaltsformen. Vor allem verlief die Grenze zwischen Bauern- und Gutshof abseits von 100 Hektar, wie ein regionaler Vergleich der großbetrieblichen Flächenanteile zeigt : Nicht die Landkreise Eisenstadt (44,4 Prozent), Gän sern dorf (29,5 Prozent) und Hollabrunn (14,2 Prozent) im östlichen Flach- und Hügelland, in denen die „gutsherrschaftliche Siedlung“ am stärksten hervortrat, sondern die
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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