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126 Anatomie eines „lebenden Organismus“
schinenpark, der einem Neuwert von 88.640 Reichsmark entsprach ; die Maschi-
nenintensität erreichte überdurchschnittliche 388 Reichsmark pro Hektar. Sowohl
der absolute als auch der relative Maschinenneuwert des Zuckermantelhofes lagen
an der Spitze aller 36 Gutsbetriebe. An Kraftmaschinen, etwa vier Fünftel des
Gesamtwerts, waren sieben eisenbereifte und drei gummibereifte Schlepper sowie
ein Verbrennungsmotor vorhanden. Die Arbeitsmaschinen, ein Fünftel des Werts,
umfassten vier gummibereifte Ackerwägen, eine Dreschmaschine, drei Drillma-
schinen, zwei Düngerstreuer, vier Hackmaschinen, zwei Grasmäher, zwei Vielfach-
geräte, ein Silohäcksler, einen Pferde- und zwei zapfwellenbetriebene Bindemäher,
eine Strohpresse, je ein Saatgutbereiter und -beizer, zwei Karfoffelroder, ein Fut-
terdämpfer und eine Milchkühlanlage. Der Führungsstil, der auf dem Zuckerman-
telhof herrschte, lief offenbar auf das Kappen der Arbeitsspitzen durch entspre-
chende Maschinen – etwa den Bindemäher, der rund die Hälfte der händischen
Getreideerntearbeit einsparte, als Paradebeispiel184 – hinaus. Neben der – nicht
angegebenen – Milch- und Fleischmenge warf der Gutsbetrieb 1.534 Doppel-
zentner Getreide, großteils Roggen, der Rest Brau- und Industriegerste, und 1.170
Doppelzentner Stroh auf den Markt.185
Was die Taglöhner-Maschinengüter mit den Gesinde-Maschinengütern verband,
war der überdurchschnittliche Einsatz von Maschinenkapital ; was sie unterschied,
war die bevorzugte Mechanisierung täglich oder wöchentlich wiederkehrender
Tätigkeiten, für die beispielhaft die Melkmaschine im Betrieb und die Waschma-
schine im Haushalt standen. Während die Waschmaschine erhebliche Arbeitszei-
ten, vor allem der Frauen, einsparte, minderte der beträchtliche Wartungsaufwand
der Melkmaschine, etwa das Säubern von Milchresten, die Zeitersparnis – ein
Manko, das jedoch durch die Ausweitung des Personenkreises, der für die maschi-
nelle Melkarbeit in Frage kam, gemildert wurde.186 Zudem zeichnete sich der Füh-
rungsstil der Taglöhneranwesen durch Hackfruchtwirtschaft auf 300 bis 400 oder
mehr als 500 Hektar, Arbeits- und Viehextensivität, erweiterten Zuckerrüben- und
Handelsgewächsanbau sowie Ochsen- und Stiermast in größerem Umfang aus.
Dafür steht etwa der Großbetrieb von Leopold Hutter in Markgrafneusiedl, eine
Hackfruchtwirtschaft mit 325,5 Hektar Kulturfläche. Der Eigentümer hatte im
Zuge der „Arisierung“ einer Liegenschaft tschechischer Juden seinen ursprüng-
lichen Grundbesitz mehr als verdoppelt.187 Neben fünf Hektar Obst- und sons-
tigen Gärten verfügte er über 320,5 Hektar Ackerland durchwegs mittlerer oder
niedriger Bonität, von dem er etwa zwei Fünftel mit Getreide – vor allem Roggen
und Weizen, dann Gerste und Hafer, schließlich ein wenig Körnermais
–, rund ein
Drittel mit Hackfrüchten
– vorwiegend Kartoffeln, aber auch etwas Zuckerrüben
–
und den Rest mit Futterpflanzen, Handels- und Gartengewächsen bebaute ; ein
kleiner Teil wurde von Arbeitskräften als Deputatland, als Teil der Entlohnung,
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937