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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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129Durchleuchtete Höfe der „Entschuldungsbedürftigkeit“ und „Entschuldungsfähigkeit“ der Betriebe so- wie der „Entschuldungswürdigkeit“ der Betriebsinhaber/-innen abhängig.191 Die Überprüfung dieser drei Bedingungen oblag der Landstelle, der für die Durch- führung der Entschuldungsaktion eigens geschaffenen, dem Reichsernährungs- ministerium (REM) unterstellten Behörde. Großes Augenmerk galt dabei unter anderem der „Persönlichkeit und Wirtschaftsweise des Betriebsinhabers“ als Kri- terium der „Entschuldungswürdigkeit“, wie Hans Heinrich, der für die Entschul- dungsmaßnahmen zuständige Ministerialrat im REM, in seinem Kommentar zur Österreichischen Entschuldungsverordnung ausführte : „An Persönlichkeit und Wirtschaftsweise [Hervorhebung im Original] des Betriebsin- habers müssen strenge Anforderungen gestellt werden. Der Betriebsinhaber muß die Gewähr dafür bieten, dass der Betrieb nach Durchführung der Entschuldung sowohl seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt als auch hinsichtlich der Wirtschafts- führung den an die Landwirtschaft gestellten Anforderungen voll gerecht wird. Der Betriebsinhaber muß auch persönlich ehrbar und tüchtig sein. Ob alle diese Voraus- setzungen gegeben sind, ist eine Frage des einzelnen Falles und der Standesauffassung der landwirtschaftlichen Kreise, denen der Betriebsinhaber angehört. Die Landstelle hat daher in jedem Falle die Voraussetzungen genau zu prüfen.“192 Die „Entschuldungswürdigkeit“ des Betriebsinhabers wurde von amtlicher Seite nicht allgemein festgeschrieben, sondern hing  – als „Frage des einzelnen Falles und der Standesauffassung der landwirtschaftlichen Kreise“  – von der Einschätzung der jeweiligen Besonderheiten ab. Dies erforderte ein aufwendiges Ermittlungsverfah- ren, das Besichtigungen der Entschuldungsbetriebe durch Mitarbeiter der Land- stelle einschloss. So schwärmten auch im Reichsgau Niederdonau die Gutachter/- innen der Landstelle ab Jahresmitte 1938 aus, um sich, meist im Beisein von Ortsbauernführern, vor Ort einen Eindruck von den jeweiligen Betriebs- und Haushaltsverhältnissen zu verschaffen. Die dabei angelegten Protokolle enthalten neben umfangreichem Zahlenmaterial über Natur- und Verkehrslage, Bodennut- zung, Viehstand, technische Einrichtungen, Betriebs- und Haushaltsangehörige sowie Einnahmen und Ausgaben detaillierte Beschreibungen und Beurteilungen von Menschen, Tieren, Pflanzen und Dingen  – kurz, ein amtliches Porträt des Hofes als Akteur-Netzwerk. Die Passagen über „Persönlichkeit und Wirtschafts- weise des Betriebsinhabers“ können als amtliches Porträt des jeweiligen (unter-) bäuerlichen Wirtschaftsstils gelesen werden. Freilich haben handelt es sich dabei um keine objektiven Ausdrücke der zeitgenössischen Betriebs- und Haushaltsfüh- rung, sondern um subjektive Eindrücke von Organen des NS-Agrarapparats. Um dem Sachbearbeiter der Landstelle  – rekonstruierend  – über die Schulter schauen
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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