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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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138 Anatomie eines „lebenden Organismus“ der Negativseite wechselten die Vorhalte : „fleißig, aber unbeholfen und energie- los“,220 „fleißig, doch schwerfällig und geistig wenig regsam“,221 „fleißiger, aber et- was leichtsinniger Landwirt“.222 Häufig variierten die Sachbearbeiter ihre Urteile zwischen den Familienangehörigen. In vielen Fällen war es die Frau, die besser als der oftmals als „schwerfällig“ erscheinende Mann bewertet wurde : „fleißige Bauern, Mann etwas schwerfällig, Frau sehr tüchtig“,223 „Besitzer etwas schwer- fällig, Frau viel aufgeweckter“,224 „Besitzer etwas schwerfällig und rückschrittlich, doch fleißig, Frau tüchtig“.225 Dass die Bäuerin den Bauern an Leitungskompetenz überragte, galt als Abweichung von der offiziellen Norm männlicher Betriebsfüh- rung und wurde entsprechend in den Protokollen vermerkt  – vor allem dann, wenn der Mann in den Betrieb der Frau eingeheiratet hatte : „Antragsteller ist etwas leichtfertig und willensschwach, seine Frau, die er als Wittfrau und Hofbesitzerin geheiratet hat, macht einen guten Eindruck.“226 Vergleichsweise selten finden sich Vermerke über inferiore Frauen : „Frau ist fleißig, aber geistig sehr schwerfällig und steht ganz unter dem Willen ihres arbeitsamen Mannes.“227 Sofern im amt- lichen Urteil die Frau besser als der Mann abschnitt, schien der Grundsatz der „ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung“228 in Gefahr. In diesen Fällen setzten die Sachbearbeiter weniger auf die weibliche Leitungskompetenz als auf die Wirt- schaftsberatung vonseiten des Reichsnährstandes : „Die Frau ist die geistig regere und energischere. Dem Bauern muss mit Rat und Tat beigestanden werden. Nur bei intensiver Wirtschaftsführung in den nächsten Jahren kann die volle Leistung erzielt werden.“229 Die Einschaltung des Reichsnährstandes war die eine Lösung des Problems mangelnder männlicher Leitungskompetenz, die baldige Betriebs- übernahme durch einen Sohn die andere : „Besitzer ziemlich energielos und ab- gestumpft. Besitzerin ist über die Betriebsverhältnisse viel besser orientiert als der Mann und ist durch Übernahme des Besitzes durch den ältesten Sohn, die jedoch nicht sofort möglich ist, eine bessere Bewirtschaftung gewährleistet.“230 War der als Erbe in Aussicht genommene Sohn eingerückt oder noch zu jung zur Betriebs- übernahme, wurden beide Lösungen kombiniert  – wie etwa im Fall eines wegen Alkoholismus bemängelten Bauern : „Der Besitzer ist wenig arbeitsam und Gast- hausgeher. Die Frau sowie der eingerückte Sohn sind sehr tüchtig. Zur Erhaltung der Wirtschaft bis zur Übergabe an den Sohn ist eine Betreuung angemessen.“231 Fallweise gingen die Sachbearbeiter genauer auf die Umstände bäuerlichen Fehlverhaltens ein. Ein häufig bemühtes Argument war die Unvereinbarkeit von Landwirtschaft und außerlandwirtschaftlichem Erwerb, etwa dem Wein- und Viehhandel : „Die Schulden stammen hauptsächlich aus schlechter Wirtschafts- führung und Verlusten aus Weinhandel. Der Besitzer kümmerte sich wenig um die Wirtschaft und ging dem Weinhandel nach. Frau nach Angabe des Ortsbauern- führers sehr tüchtig und arbeitsam.“232 Die Sachbearbeiter wogen offenbar sorg-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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