Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 139 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 139 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 139 -

Bild der Seite - 139 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 139 -

139Durchleuchtete Höfe fältig ab, ob ein außerlandwirtschaftliches Nebengewerbe mit der Landwirtschaft vereinbar war oder damit konkurrierte, wie die nachträgliche Streichung eines ent- sprechenden Vermerks zeigt : „Der Eindruck der Familie gut, Familie gesund. Der Bauer ist intelligent. Mit dem Schweinehandel vernachlässigt er etwas die Wirt- schaft [Streichung im Original].“233 Vielfach gelangten sie jedoch zu einem klaren Urteil und plädierten etwa auf „einfache Kassabuchführung und landwirtschaft- liche Betreuung, weil sich der Besitzer um seinen landwirtschaftlichen Betrieb überhaupt nicht kümmert und wenig landwirtschaftliche Kenntnisse aufweist. Den Sägebetrieb führt er mit einem Kompagnon zusammen, welcher zur Hälfte Besit- zer des Betriebes ist […].“234 Weniger skeptisch zeigten sich die Sachbearbeiter gegenüber außerlandwirtschaftlichen Lohnarbeitsverhältnissen : „Der Besitzer ist nicht fleißig und beschäftigt sich mit unrentablem Kuhhandel, hat als Hilfsarbeiter einen lohnenden Nebenverdienst zu holen. Frau ist sehr fleißig.“235 Nicht nur die außerhäusliche Lohnarbeit, sondern auch die Heimarbeit erschien als eine recht- mäßige Erwerbsstrategie  – sofern sie nicht die Landwirtschaft beeinträchtigte : „Der Besitzer arbeitet in einer Weberei, seine Frau zu Hause Heimarbeit. Kinder gesund. Wirtschaft etwas unsauber und unordentlich. Eindruck der Familie gut, zu entschulden.“236 Neben der Erwerbskombination bedienten sich die Sachbearbeiter weiterer Ar- gumente, um bäuerliches Fehlverhalten zu deuten, so etwa der finanziellen Notlage : „Die Wirtschaft ist unordentlich, unsauber. Der Antragsteller konnte infolge der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage und durch seine große Familie in der Wirt- schaft durch Jahre keine Reparaturen und Verbesserungen vornehmen, deshalb die stark verfallenen Wohn- und Wirtschaftsgebäude.“237 Neben derart allgemeinen Begründungen wurden auch besondere Notlagen, etwa überhöhte Ausgedingelas- ten, ins Treffen geführt : „Besitz wurde 1931 in vollkommen verlottertem Zustande angekauft (der Wald ist ausgeplündert). Außerdem lastet noch ein Ausgedinge auf dem Hof. Der Besitzer ist heute gezwungen, da die Ausnehmerwohnung unbe- wohnbar, für den Ausnehmer die Miete zu bezahlen. [. . .] Betreuung angezeigt !“238 Neben den Geldsorgen nahmen die Sachbearbeiter auch Notiz von emotionalen Bürden, etwa der Verzweiflung über schwere Unglücksfälle, als Begründungen mangelhafter Wirtschaftsführung : „Der Antragsteller wurde von Unglück im Laufe seines Lebens heimgesucht : Blitz- schlag, Tötung seiner ersten Frau und drei Kühe, Abbrennen der Wirtschaft und Unglück im Stall. Durch alle diese Unglücksfälle wurde der Antragsteller in seinem Wirtschaftserfolg sehr beeinträchtigt und persönlich beansprucht. Er ist ein fleißiger und anspruchsloser Arbeiter und bis zur Überbrückung des Zeitraumes, zu dem seine Tochter die Wirtschaft übernehmen kann, besonders bedürftig.“239
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder