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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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142 Anatomie eines „lebenden Organismus“ die Betriebsbesichtigungen der Landstellen-Sachbearbeiter, die mit Hilfe der Orts- und Kreisbauernführer Betrieb und Haushalt vor Ort penibel durchleuchteten. Das Haushaltsprofil zeigt eine familienwirtschaftliche Prägung, vor allem hinsichtlich der Familien- und Gesindeanteile ; demnach war die Besitzerfamilie häufig ‚unter sich‘, was Abweichungen von der offiziellen Norm begünstigte. Im Intensitätsprofil sticht der schwache Einsatz von Maschinen hervor  – ein Ausweis von „Rückständig- keit“, die von den Sachbearbeitern bemängelt wurde. Abgesehen von Hilfsarbeiten war der außerlandwirtschaftliche Nebenverdienst wenig verbreitet ; der fehlgeleitete Bauer betrieb meist landwirtschaftlichen Vollerwerb. Häufiger als die Gesamtheit standen die betreffenden Höfe im Alleinbesitz von Männern, was teils auf Verwit- wung, teils auf dem „Nichtanschreiben“ der Ehefrau im Grundbuch beruhte. Die Grünlandwirtschaft von Alois und Rosina Waldbauer in Texing, AGB Mank, vereinte charakteristische System- und Stilmerkmale des fehlgeleiteten Bauern. Den Hof in Steingrub, einem Weiler abseits der Ortssiedlung, umgaben 13,4 Hektar Grundbesitz, wovon 4,1 Hektar als Acker, 6,1 Hektar als Wiese, 0,3 Hektar als Hutweide und 3,0 Hektar als Wald genutzt wurden. Der Acker wurde fast zur Gänze vom Getreide  – Hafer, Roggen und Weizen  – eingenommen ; da- neben gediehen etwas Kartoffeln und Futterrüben. Das Ehepaar bewirtschaftete den Hof gemeinsam mit drei Nachkommen, einem 19- und einem 15-jährigen Sohn sowie einer 17-jährigen Tochter ; Gesinde oder Taglöhner/-innen wurden nicht beschäftigt. Da alle fünf Familienangehörigen als vollwertige Arbeitskräfte registriert wurden, lag die Arbeitsintensität, 0,5 AKE pro Hektar, im Durchschnitt. In den Ställen wurden üblicherweise zwei Zugochsen, vier Kühe, zwei Kalbin- nen, zwei Kälber, eine Zuchtsau, neun Mastschweine, vier Schafe und 25 Hüh- ner gehalten. Der Viehstand von 11,6 GVE ergab, umgelegt auf die Nutzfläche, eine durchschnittliche Viehintensität von 1,1 GVE. Außer einer Häckselmaschine im Neuwert von 260 Reichsmark wurden keine größeren Maschinen verzeich- net ; die Maschinenintensität, 25 Reichsmark pro Hektar, lag unter dem Durch- schnitt. Da außer dem Besitzerpaar und den mitarbeitenden Kindern keine wei- teren Familienangehörigen zu versorgen waren, fiel der V/A-Quotient mit 0,88 Personen vergleichsweise niedrig aus. Die Einnahmen speisten sich vor allem aus dem Verkauf von Rindern, Schweinen und Milch, weiters von Eiern, Getreide und Obst. Nach Abzug der Betriebsausgaben und Lebenshaltungskosten blieben der Familie laut Kalkulation des Sachbearbeiters 250 Reichsmark zur Verfügung. In der Beurteilung wurde die Persönlichkeit des Bauern zwiespältig gezeichnet : „Es scheint, dass der Bauer wenig landwirtschaftliche Betriebskenntnisse besitzt. Schulung eines Sohnes notwendig. Sonst die Familie arbeitsam und strebsam. Alle gesund.“ Auf Grund der mangelhaften Führungskompetenz des Betriebsinhabers erteilte der Sachbearbeiter, neben der obligaten Kassabuchführung, weitere Auf-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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