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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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143Durchleuchtete Höfe lagen : „Der Betrieb ist lebensfähig, jedoch muss eine intensive Wirtschaftsbera- tung (auch Betreuung) [Streichung im Original] umgesetzt werden, bis der junge Bauer bauernfähig ist (2–3 Jahre).“ Auch wenn der Sachbearbeiter die erwogene Kontrolle durch einen landwirtschaftlichen Treuhänder wieder zurückzog und sich mit einer „intensive[n] Wirtschaftsberatung“ begnügte, ließ er keinen Zweifel an der zweifelhaften Wirtschaftsführung des Bauern offen.251 Texing war bekannt als Heimatgemeinde von Engelbert Dollfuß, einer Leitfigur des christlichsozialen Bauernbundes in der Zwischenkriegszeit, der 1934 als österreichischer Bundes- kanzler von nationalsozialistischen Putschisten ermordet worden war.252 Ob der Sachbearbeiter Bodinger eine Aversion gegen das katholisch-konservative Her- kunftsmilieu des zum nationalsozialistischen Feindbild aufgebauten Bauernführers auf den Hofinhaber projizierte, kann weder bestätigt noch ausgeschlossen werden ; da jedoch die vorliegende Beurteilung seinem gesamten Urteilsprofil entspricht, erscheint eine derartige Projektion als unwahrscheinlich. Die betriebswirtschaftlich-bevölkerungspolitische Doppelbestimmung bäuerli- cher Akteure, die den fehlgeleiteten Bauern kennzeichnete, fand an einer Kontrastfi- gur, am vorbildlichen Bauern, eine Fortsetzung. Der „gute deutsche Bauer“, den der Sachbearbeiter Zsoldos in einem Auersthaler „Musterbetrieb“ ausfindig gemacht hatte, zeichnete sich nicht nur durch eine „sehr tüchtige und fortschrittliche Fa- milie“, sondern auch durch „gesunde, prächtige Kinder“ aus.253 Hier wurde das hierarchische Spektrum der beispielhaften Attribute  – eine „tüchtige“, „sehr gute“, „fortschrittliche“ oder gar „mustergültige“ Wirtschaftsführung  – voll ausgeschöpft. Diese Superlative wurden häufig, neben dem Hinweis auf die „rassischen“ Vorzüge der Familie, mit diversen Spielarten bäuerlichen Fleißes kombiniert : „sehr brave und fleißige Familie, fortschrittlicher tüchtiger Bauer, erbgesunde prächtige Kin- der“.254 Zu den herausragenden Merkmalen bäuerlicher Mustergültigkeit zählte eine überdurchschnittliche Intensität des Ressourceneinsatzes : „sehr gut und in- tensiv bewirtschafteter kleiner Betrieb“,255 „intensiv und beispielgebend bewirt- schaftet“,256 „intensiv geführter sauberer landwirtschaftlicher Betrieb“.257 Was die Sachbearbeiter unter „intensiv“ verstanden, führten sie an manchen Fällen genauer aus : „Der Weidebetrieb mit Begüllung ermöglicht einen höheren Viehstand, der sehr gut gehalten ist“.258 Neben der Ausweitung des Viehstandes durch eine ge- steigerte Futtererzeugung galt die Ausstattung mit Maschinen und sonstigen technischen Einrichtungen, etwa einem Gärfutterbehälter, als weiteres Intensitäts- merkmal : „bestens und zeitgemäß geführte Wirtschaft, alles in bester Ordnung, ausgezeichnete Wirtschaftsführung (Silo usw. vorhanden)“.259 Auch Investitionen in Wohn- und Wirtschaftsgebäude wurden gewürdigt : „Der Besitzer hat den Hof baulich sehr verbessert, alle Räume sind sehr sauber.“260 Schließlich zeichneten einen „intensiven“ Betrieb überdurchschnittliche Erträge aus : „Der intelligente,
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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