Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 147 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 147 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 147 -

Bild der Seite - 147 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 147 -

147Durchleuchtete Höfe dem Boden verwachsen, guter Wirtschafter, der durch Fleiß trotz der großen Schul- denverpflichtungen seinen Hof gehalten hat.“273 So gesehen, erscheint die von den Sachbearbeitern wiederholt bemühte Verwurzelung der Antragsteller/-innen mit der Scholle als  – ideologisch verbrämte  – Lesart einer (unter-)bäuerlichen Strategie der Krisenbewältigung. Häufig schloss diese familienwirtschaftliche Überlebensstrategie auch die Kombination landwirtschaftlichen und anderen Erwerbs mit ein. Folglich argumentierten die Sachbearbeiter meist, wie im folgenden Fall, für die Notwendig- keit des selbstständigen oder unselbstständigen Zusatzeinkommens : „Fleißiger und arbeitsamer Kleinlandwirt, der, um ganz bestehen zu können, in seiner freien Zeit das Schuhmachergewerbe ausübt.“274 In dieses von (unter-)bäuerlicher Selbstausbeutung geprägte Bild passt die über- durchschnittlich häufige Angabe, dass der oder die betreffende Antragsteller/-in „abgearbeitet“, „abgerackert“ oder „arbeitsunfähig“ sei. So hieß es über eine Witwe, die in Mannersdorf als Kleinhäuslerin wirtschaftete, die Besitzerin sei „sehr fleißig und sparsam, jedoch schon sehr abgearbeitet, 69 Jahre alt. Es ist daher eine Über- gabe an den Erben unerlässlich, da Genannte den Anforderungen der Wirtschaft nicht mehr entsprechen kann.“275 Ähnliches wurde über einen alten Bergbauern in Loich vermeldet : „Der derzeitige Betriebsinhaber ist physisch nicht mehr in der Lage, die Wirtschaft zu führen. Der Einsatz von frischen und im fortschritt- lichen Geiste arbeitenden Menschen ist notwendig. Auflage : Übergabe (bereits durchgeführt).“276 Noch dramatischer stellte sich die Lage für ein Kleinhäuslerpaar in Dörfles dar : „Zwei alte, arbeitsunfähige Leute, die der Arbeit nicht mehr ge- wachsen sind. Die drei Töchter sind an Nichtbauern verheiratet, von denen keiner an der kleinen Wirtschaft interessiert ist.“277 Infolge der Arbeitsunfähigkeit des Besitzerpaares und mangels Erben empfahl der Sachbearbeiter in diesem Fall den Verkauf der Wirtschaft und die Abweisung des Verfahrens. Falls jedoch ein Erbe oder eine Erbin in Aussicht waren, erteilten die Sachbearbeiter meist die Auflage, den Betrieb so bald als möglich zu übergeben. Auf diese Weise griff das Entschul- dungsverfahren tiefer, als das für die Antragsteller/-innen vorweg absehbar war, in deren Landbesitzrechte ein : Der Staat entledigte die verschuldeten Hofbesitzer/- innen nicht nur ihrer Gläubiger, sondern letztlich auch ihres Hofes. Der Wirtschaftsstil der „Arbeitsamkeit“ zeichnete sich durch folgende Ag- rarsystem-Merkmale aus : Lage im AGB Kirchberg an der Pielach, Zwerg- und großbäuerliche Betriebe, Futter- und Weinbauwirtschaften, überdurchschnitt- liche Vieh intensität. Für den Stil des „Fleißes“ lauten die herausragenden Sys- temmerkmale : klein- bis mittelbäuerliche Betriebe, Grünland-Wald- und Acker- Weinbauwirtschaften, überdurchschnittlicher V/A-Quotient, hohe Arbeits- und Vieh intensität, familienwirtschaftlicher Zuschnitt. Zudem hoben sich beide Land- wirtschaftsstile von den übrigen durch Häufungen des außerlandwirtschaftlichen
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder