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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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148 Anatomie eines „lebenden Organismus“ Erwerbs und Frauen als alleinige Betriebsleiterinnen ab. Daraus wird zumindest eine Triebfeder der vielfach konstatierten Selbstausbeutung des arbeitsamen und fleißigen Bauern erkennbar : die Notwendigkeit, eine erhebliche Zahl noch nicht oder nicht mehr arbeitsfähiger Familienangehöriger zu versorgen.278 Die (unter-) bäuerlichen Familien folgten mehreren Strategien, um ihr Pro-Kopf-Familienein- kommen anzuheben : die Steigerung der Arbeits- und Vieh intensität des eigenen Familienbetriebes sowie außerhäusliche Lohnarbeit inner- und außerhalb der Landwirtschaft, etwa als Taglöhner/-in, Heimweber/-in oder Hilfsarbeiter/-in. Der arbeitsame Bauer wird an der Futterwirtschaft von Franz und Leopoldine Söllner in Frankenfels, AGB Kirchberg an der Pielach, fassbar. Der Grundbesitz von 2,5 Hektar, davon 1,9 Hektar sowie 0,6 Hektar Grünland, versorgte die kinderreiche Familie mit dem Notwendigsten. Der Acker diente großteils als Wechselwiese ; auf dem Rest wurden Gerste, Kartoffeln und Futterrüben angebaut. Eines der Kinder, die 16-jährige außereheliche Tochter des Mannes, unterstützte das 36-jährige Besit- zerpaar bereits als vollwertige Arbeitskraft. Die Arbeitsintensität lag mit 1,2 AKE pro Hektar über den Durchschnitt. Im Stall standen eine Kuh, eine Kalbin, drei Schweine, darunter eine Zuchtsau, zwei Ziegen und zehn Hühner. Zusammen ergab das 2,5 GVE oder 1,0 GVE pro Hektar, was einer durchschnittlichen Vieh intensität entsprach. Da nur das notwendigste Gerät vorhanden war, lag die Maschinenintensi- tät unter dem Durchschnitt. Neben den drei Familienarbeitskräften lebten im Haus- halt eine 71-jährige Ausnehmerin sowie neun Kinder zwischen zwölf Jahren und einem Jahr. Daher bewegte sich der V/A-Quotient auf dem überdurchschnittlichen Niveau von 2,87 Personen. Die Einnahmen aus dem Rindfleisch- und Obstverkauf deckten den Bedarf der Großfamilie bei weitem nicht ab ; daher verdingte sich der Mann als Bauarbeiter, was jährlich 1.400 Reichsmark einbrachte. Abzüglich der Be- triebs- und Haushaltsausgaben verblieben 100 Reichsmark im Jahr. „Sehr fleißiger und tüchtiger Mensch, entschuldungswürdig, alle Kinder gesund und zu Hause“, verlieh der Sachbearbeiter seiner Wertschätzung Ausdruck.279 Die Hackfrucht-Weinbauwirtschaft von Josef und Theresia Jochinger in Velm, AGB Matzen, vereinte charakteristische System- und Stilmerkmale des fleißigen Bauern. Von 3,8 Hektar Kulturfläche, davon 1,6 Hektar Zupacht, nutzte das Ehe- paar 3,0 Hektar als Acker, 0,1 Hektar als Garten und 0,7 Hektar als Weingarten. Auf vier Zehntel des Ackers gedieh Getreide  – Roggen, Hafer, Körnermais und Gerste  –, auf einem Drittel das Feldfutter und auf einem Viertel Kartoffeln und Futterrüben. Üblicherweise bearbeitete der und die Eigentümer/-in die Gründe ohne sonstige Hilfskräfte, was einer durchschnittlichen Arbeitsintensität entsprach ; zum Zeitpunkt der Besichtigung war der Mann jedoch zum Militär eingerückt, sodass die Frau den kleinbäuerlichen Betrieb alleine führen musste. Der Viehstand, zusammen 4,9 GVE, umfasste ein Pferd, zwei Kühe, ein Kalb, neun Schweine, da-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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