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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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157Regulative der Ent- und Verwurzelung raffer  – teils umgesetzt, teils weitergetrieben. Begreifen wir den Behördenapparat des Deutschen Reiches als „Doppelstaat“, dann überholte auf diesem Gebiet in den ersten Wochen und Monaten der von Gesetzen losgelöste „Maßnahmenstaat“ den an eine gewisse Rechtsstaatlichkeit gebundenen „Normenstaat“.33 Noch bevor die Gesetze der inklusiven Bodenpolitik in Kraft traten, erfolgten die ersten Aktio- nen der exklusiven Bodenpolitik : die eigenmächtigen, ohne gesetzliche Grundlage durchgeführten Übernahmen land- und forstwirtschaftlicher Güter im Besitz von „Juden“ im Sinn des Reichsbürgergesetzes durch selbsternannte oder von unterge- ordneten Stellen legitimierte „kommissarische Verwalter“, gefolgt von Versuchen der Machthaber, die „wilden Arisierungen“ in geordnete Bahnen zu lenken.34 Der erste Schritt bestand darin, die Einsetzung „kommissarischer Verwalter“ zu regeln : Bald nach dem „Anschluss“ wurde in der gleichgeschalteten Landwirtschaftskam- mer eine kommissarische Leitung für von jüdischen Eigentümern oder Pächtern angeblich verlassene Betriebe geschaffen.35 Zugleich koordinierte der Gutsbesit- zer Johannes Hardegg als „Vertrauensmann des Staatskommissars in der Privat- wirtschaft“ die Verwaltung land- und forstwirtschaftlicher Güter in jüdischem Besitz.36 Erst im April 1938 wurde die Einsetzung „kommissarischer Verwalter“ gesetzlich geregelt.37 Der nächste Schritt der Bürokratisierung der land- und forstwirtschaftlichen „Entjudung“ bestand in der Verordnung über die Meldepflicht jüdischen Vermögens über 5.000 Reichsmark vom April 193838 und in der Errichtung der Vermögens- verkehrsstelle im Ministerium für Handel und Verkehr, dem späteren Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, im Mai 1938.39 Innerhalb der Vermögensverkehrsstelle koordinierte die Abteilung für Land- und Forstwirtschaft die „Entjudung“ land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes, die bis Jänner 1939 nur zu einem geringen Teil, zu 16 Prozent, abgeschlossen war.40 Laut der Statistik der Vermögensverkehrs- stelle meldeten in Niederdonau insgesamt 290 Beteiligte 19.419 Hektar Grundbe- sitz im Wert von 13,6 Millionen Reichsmark an (Tabelle 3.1). Unter den Kreisen lag Gän sern dorf mit 56 Beteiligten im Besitz von 7.449 Hektar im Wert von 5,9 Millionen Reichsmark einsam an der Spitze. Darüber hinaus wies allein St. Pölten über 20 Besitzeinheiten auf ; über 1.000 Hektar wurden nur in Baden, Bruck an der Leitha, Waidhofen an der Thaya und Zwettl registriert ; über eine Million Reichs- mark betrug der Gesamtwert ausschließlich in Baden und St. Pölten. Der Grund- besitz bestand fast zur Gänze aus landwirtschaftlichen Betrieben ; nennenswerte Forstbetriebe gab es nur in Amstetten ; Weinbau- und Gärtnereibetriebe in größe- rem Ausmaß wurden in Baden, Eisenstadt, Mistelbach und Krems erfasst. Trotz der Fehler, die sich in derartige Statistiken unweigerlich einschleichen, erkennen wir darin die ungleiche Verteilung des jüdischen Grundbesitzes in Niederdonau. Die Besitzkonzentration in den an Wien angrenzenden Kreisen Baden, Bruck an der
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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