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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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158 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe Leitha und Gän sern dorf lässt annehmen, dass die Gutsbesitzer/-innen zu einem erheblichen Teil nicht auf ihren Landgütern, sondern, einem großbürgerlichen Le- bensstil gemäß, in der Großstadt wohnten.41 Vor diesem Hintergrund können wir auch das alarmistische Bild, das die Arbeitsgemeinschaft der Wiener Deutschen Studentenschaft über die „Entdeutschung“ des Grundbesitzes im Marchfeld zeich- nete, zurechtrücken : Mit dem Kreis Gän sern dorf wählten die Nachwuchsforscher/- innen keinen Durchschnitts-, sondern den Extremfall. Eine Verschärfung der land- und forstwirtschaftlichen „Arisierung“ bewirk- ten die nächsten Schritte, die bereits durchgeführte Enteignungen nachträglich in gesetzliche Bahnen brachten : die Verordnung über die Einziehung „volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ vom November 193842 und die Verordnung über den „Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom Dezember 1938.43 Während sich erstere indirekt auch gegen jüdische Grundbesitzer/-innen richtete, zielte letztere direkt auf die rasche und flächendeckende „Arisierung“ des Bodens. Zu diesem Zweck wurden die land- und forstwirtschaftlichen Agenden von der „Entjudung“ der übrigen Wirtschaft abgetrennt und eigenen Organisationen übertragen : Die landwirtschaftlichen Verfahren oblagen nunmehr der Oberen Siedlungsbehörde im Ministerium für Landwirtschaft, die forstwirtschaftlichen dem Amt des Beauf- tragten für das Forstwesen im Lande Österreich, ab April 1939 dem Generalrefe- renten für forstliche Sonderaufgaben. Mit dem allmählichen Abbau der Zentral- behörden im „Lande Österreich“ im Zuge der Einführung des Ostmarkgesetzes44 wurden auch die Agenden der land- und forstwirtschaftlichen „Arisierung“ auf Behörden auf die Gauebene verlagert : Die Obere Siedlungsbehörde als Abwick- lungsstelle der landwirtschaftlichen „Arisierung“ wurde im April 1940 der Behörde des Reichsstatthalters in Niederdonau eingegliedert ; der Generalreferent für forst- liche Sonderaufgaben gab im April 1943 die Agenden der forstwirtschaftlichen „Arisierung“ an das Landesforstamt ab.45 Heinz Haushofer, der zuständige Abtei- lungsleiter in der Behörde des Reichsstatthalters in Niederdonau, schildert in sei- ner Autobiographie Anfang der 1980er Jahre, wie „sorgenvoll“ er und seine Mitar- beiter die „an uns herangetretene Aufgabe“ gehandhabt und wieviel „Scheußliches“ sie zu verhindern gewusst hätten. Die Abteilung habe die Aktion dem „Sumpf der Korruption“ im Umfeld der NSDAP entrissen, um sie „verfahrensmäßig ‚in Ordnung‘ abzuwickeln“.46 Dagegen rechtfertigte er im Jahr seines Amtsantritts 1940 die Bedeutung seiner kompetenzreichen Abteilung unter anderem mit dem Hinweis auf die „Entjudung“ des landwirtschaftlichen Grundbesitzes.47 Aus bei- den Äußerungen spricht ein Mann des „Normenstaates“, der die Auswüchse des „Maßnahmenstaats“, wie er sagte, „mit einer gewissen Schadenfreude“48 betrach- tete  – und gerade über seine Orientierung an der „Ordnung“ zum Funktionieren des „Doppelstaates“ beitrug.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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