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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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161Regulative der Ent- und Verwurzelung Aufgrund der Einsatzverordnung mussten jüdische Grundbesitzer/-innen inner- halb kurzer Fristen ihr Eigentum „arischen“ Personen veräußern ; falls das nicht gelang oder wegen Flucht, Deportation oder Tod nicht möglich war, wickelten behördlich eingesetzte Treuhänder die Veräußerung ab. Im Fall größerer Lie- genschaften besaßen die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft (DAG) für Land- wirtschafts- und die Reichsforstverwaltung für Forstwirtschaftsflächen das Vor- kaufsrecht ; erst dann sollten andere öffentliche oder private Käufer/-innen zum Zug kommen. Der „Ariseur“ hatte einen vom Eigentümer oder dessen Vertretung unterfertigten Kaufvertrag vorzulegen  – eine Anforderung, die vielfach unter Druckausübung zustande kam. Gelang dies nicht, trat der Treuhänder  – meist ein Funktionär des Reichsnährstandes, ein Amtsträger der NSDAP oder ein Rechts- anwalt  – als Verkäufer der Liegenschaft auf ; diesem Zwangsverkauf unterlagen in- und ausländische Staatsbürger/-innen, erstere ohne, letztere mit Genehmigung des REM. Weiters musste der „Ariseur“ amtlich anerkannte Schätzungsgutachten über den Wert der Liegenschaft sowie die Zustimmung von Kreisbauernschaft und NSDAP-Kreisleitung einholen und seine „rassische“ Eignung nachweisen. Der Kaufpreis richtete sich nach dem Schätzwert oder „angemessenen Verkehrswert“, der meist erheblich unter dem eigentlichen Marktwert lag. Davon wurde zunächst eine Ausgleichsabgabe in der Höhe der fiktiven Siedlungskosten wie Gebäudeer- richtung, Elektrifizierung oder Bodenverbesserung an das Deutsche Reich abge- zogen ; daraus ergab sich der Siedlungsverkehrswert. Später wurde stattdessen der „mäßige Verkehrswert“, der 10 bis 25 Prozent unter dem „angemessenen Verkehrs- wert“ lag, veranschlagt. Der Verkaufserlös in Höhe des Siedlungs- oder „mäßi- gen Verkehrswerts“ gelangte auf ein Auswanderersperrkonto, auf das der oder die Verkäufer/-in nur mit Zustimmung der Devisenstelle Wien Zugriff hatte. Nach Abzug von „Arisierungskosten“, „Reichsfluchtsteuer“, „Judenvermögensabgabe“ und allfälligen Steuerschulden blieb vielfach kein Vermögen mehr übrig. Demnach profitierte von der „Arisierung“, neben dem eigentlichen „Ariseur“, vor allem die Staatskasse des Deutschen Reiches.49 Der letzte Radikalisierungsschritt der land- und forstwirtschaftlichen „Ent- judung“ bildete eine Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom November 1941, wonach das gesamten Vermögen jüdischer Staatsbürger/-innen, die ins Ausland geflohen oder in Ghettos oder Konzentrationslager in den besetzten Gebieten deportiert worden waren, dem Deutschen Reich verfiel.50 Zusammen mit dem Vermögensverlust jüdischer Angehöriger des Protektorats Böhmen und Mähren im November 194251 trieb diese Regelung die völlige Verstaatlichung der noch in jüdischem Besitz befindlichen Liegenschaften voran. Während Gesamtangaben für den „arisierten“ Forstbesitz fehlen,52 bezifferte eine von der Oberen Siedlungs- behörde Ende 1941 erstellte, jedoch lückenhafte Übersicht über den Stand der
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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