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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 173 -
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173Das Doppelgesicht der Bodenordnung Hier spricht ein bodenpolitischer Entscheidungsträger in Niederdonau Klartext. Danach galt die „Entjudung“ als notwendige Voraussetzung der Aufstockung be- stehender und Schaffung neuer Erbhöfe. Sein Hinweis auf die „Wehrmachtsum- siedlung“ führt zu einer weiteren Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von exklusiver und inklusiver Bodenpolitik. Im Zuge der Anlegung des Truppen- übungsplatzes Döllersheim im Kreis Zwettl wurden 1938 bis 1942 etwa 7.000 Bewohner/-innen aus knapp 1.400 Häusern in rund 50 Ortschaften in mehreren Etappen abgesiedelt. Für die Wahl dieses Standortes gaben vor allem ernährungs- wirtschaftliche, verkehrstechnische und militärstrategische Erwägungen den Aus- schlag.108 Unter bodenpolitischen Gesichtspunkten zählte der Kreis Zwettl mit einem Anteil von 63,7 Prozent Betrieben zwischen fünf und 100 Hektar zu den Gebieten mit der höchsten Erbhofdichte in Niederdonau ; dennoch  – oder auch deswegen  – erfolgte gerade hier ein massiver Eingriff in bäuerliche Besitzrechte.109 Mit der Abwicklung dieser etwa 19.000 Hektar umfassenden Umsiedlungsaktion beauftragte das Oberkommando des Heeres die als schlagkräftig profilierte DAG, die vor Ort eine eigene Geschäftsstelle einrichtete.110 Sie führte die anfangs eher großzügigen Schätzungen der Anwesen und der noch nicht eingebrachten Ernte durch. Unstimmigkeiten rund um die hochbrisante Umsiedlung sollten durch Ver- mittlung führender Herrschaftsträger, darunter Reichsstatthalter und NSDAP- Gauleiter Hugo Jury sowie Landwirtschaftsminister und Landesbauernführer An- ton Reinthaller, bereinigt werden.111 Bis Ende 1940 siedelten sich 67 Prozent der Ausgesiedelten wieder im Waldviertel an, 18 Prozent im restlichen Niederdonau, 11 Prozent in Oberdonau, der Rest in Wien und anderen Reichsgauen der Ostmark. Dabei erfuhr zwar das Zahlenverhältnis der Betriebsgrößengruppen keine wesent- liche Änderung ; doch ein beträchtlicher Teil der Besitzer/-innen erwarb erheblich kleinere oder größere Ersatzwirtschaften (Tabelle 3.2). Die Ankäufe der neuen Höfe erfolgten zunächst vor allem aus Eigeninitiative auf den Grundstücksmarkt, später zunehmend durch Vermittlung der DAG als Trägerin der staatlichen Sied- lungspolitik. Das begrenzte Angebot und die steigende Nachfrage ließen die Preise auf dem Immobilienmarkt anstiegen. Um dieser bodenpolitisch unerwünschten Entwicklung entgegenzuwirken, suchte die DAG neue Höfe für die Umsiedler/- innen zu errichten. Von den rund 4.800 Hektar im Waldviertel für Wehrmachts- zwecke beschafften Ländereien stammte knapp die Hälfte, rund 2.300 Hektar, aus „Arisierungen“ ; davon fanden rund 800 Hektar als Ersatzland für die Umsiedler/- innen Verwendung.112 Der hier offensichtliche Konnex zwischen „Arisierung“ und Erbhofbildung folgte einem wiederkehrenden Argumentationsmuster der DAG : „Die grenzpolitischen Probleme gerade in der Ostmark sind so außerordentlich wichtig, dass jede Gelegenheit, ein starkes Bauerntum an die Stelle des bisherigen jüdischen Großbetriebes zu setzen, ausgenützt werden muss.“113
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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