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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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189Verbäuerlichung durch „Entjudung Pisk in Drösing bis zu 2,8 Millionen Reichsmark für den Gutsbesitz von Gustav und Wilhelm Löw in Angern und Umgebung, wenn wir von den 3,2 Millionen Reichsmark für die Hohenauer Zuckerfabrik mit den zugehörigen 18 Hektar Grund absehen. Jenseits der materiellen Werte warf die „Entjudung“ im öffentlichen Diskurs erheblichen ideellen Mehrwert ab. In der Marchfeldstudie der Wiener Deut- schen Studentenschaft diente der Löwsche Besitz als Paradebeispiel für das zer- setzende Wirken des „jüdisch-liberalistischen Geistes“, in das eine breite Palette antijüdischer Klischees einfloss : Der „Jude“, der anfangs als Krämer von Ort zu Ort gezogen sei, habe es bald als geschickter Viehhändler zu einigem Vermögen gebracht. Daraufhin habe er vom Grafen Kinsky, dem Besitzer des Angerner Gu- tes, ein Stück Land gepachtet, dessen profitable Bewirtschaftung das Vermögen des „Juden“ gemehrt habe. Da der verschuldete Graf gezwungen gewesen sei, bei seinem Pächter Darlehen um Darlehen aufzunehmen, sei der „Jude“ binnen weniger Jahre in den Besitz des Gutes gelangt. Als Heereslieferant habe er im Ersten Weltkrieg mit seinen von Kriegsgefangenen errichteten Fabriken „Un- summen von Geld“ verdient. Auf diese Weise sei die Grundlage des „deutschen Bauerntums“ in Angern und Umgebung untergraben worden : Der „Jude“ habe die Bauernsöhne als Arbeiter in seine Fabrik „abgezogen“ ; zudem habe er bei Versteigerungen landwirtschaftlicher Güter die „deutschen Käufer“ stets über- boten ; schließlich seien die verbliebenen Bauern der übermächtigen Konkurrenz seiner „Mustergüter“ ausgesetzt worden. Am zersetzenden Wirken des „Juden“ werde das „deutsche Volk“ noch lange zu leiden haben : „Wenn auch nun heute die Güter der Juden unter kommissarischer Leitung der NSDAP stehen und demnächst wieder von Deutschen genutzt werden, so lebt doch der jüdisch-libe- ralistische Geist  – und das deutsche Bauerntum auf vorgeschobenem Grenzpos- ten ist krank.“152 Was im Text als antijüdisches Lehrstück begann, endete in der Realität mit einer „Arisierung“ : Wie im Fall Löw kam bei den größeren Gütern in der Regel die DAG aufgrund ihres Vorkaufsrechts zur Durchführung bäuerli- cher Siedlungsverfahren zum Zug ; nur ausnahmsweise konnten Privatpersonen, Firmen oder öffentliche Körperschaften reüssieren. Hingegen gelangten mitt- lere und kleinere Besitzungen meist in die Hände privater, großteils bäuerlicher Bewerber/-innen (Tabelle 3.4). Bereits dieser oberflächliche Überblick lässt ei- nen engen Zusammenhang zwischen der „Entjudung“ und Verbäuerlichung von Grundbesitz erkennen. An drei unterschiedlichen Arten von Verfahren können wir diese Einsicht im Hinblick auf die Strategien der an der „Arisierung“ betei- ligten Akteure vertiefen.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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