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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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191Verbäuerlichung durch „Entjudung Im Oktober 1938 wandte sich die Vermögensverkehrsstelle Wien an die Landes- bauernschaft Donauland mit dem Ersuchen, ein laufendes Arisierungsverfahren „ehest zu prüfen und in die richtigen Bahnen zu lenken“.153 Was war schief ge- laufen ? Eine Gruppe von 130 Einzelpersonen und Ehepaaren aus Drösing und Umgebung schloss unter Führung des Rechtsanwalts Matthäus Lehner mit Emil und Hugo Stein, den in der Tschechoslowakei lebenden Besitzern der Gutshöfe in Drösing und Eichhorn, einen Kaufvertrag über die beiden Güter ab. Die Guts- besitzer, die nach reichsdeutschem Recht als „Volljuden“ galten, hatten die Güter 1926 von der Theresianischen Akademie erworben. Nach erheblichen Investitio- nen in den Gebäude- und Maschinenbestand betrieben sie darauf Getreide- und Zuckerrübenbau sowie Milch- und Mastviehwirtschaft.154 Die Käufer/-innen beabsichtigten, die Flächen im Ausmaß von 409 Hektar unter Federführung der Kreisbauernschaft Gän sern dorf zu parzellieren, aufzuteilen und in Eigenregie zu bewirtschaften. Im Hinblick auf die erforderlichen Genehmigungen der Behör- den wurde argumentiert, „Arbeiter, die noch keinen bzw. nur wenig Grundbesitz haben, und kleine und mittlere Bauern, die noch landbedürftig sind, anzusiedeln bzw. wirtschaftlich zu festigen, Erbhöfe zu schaffen und selbständige landwirt- schaftliche Existenzen im Grenzgebiet entstehen zu lassen, die zugleich den si- chersten Schutz im Grenzland nach außenhin bilden“.155 Die Sachbearbeiter in der Vermögensverkehrsstelle ließen sich von diesen Argumenten offenbar kaum beeindrucken ; im Gegenteil : Sie meldeten erhebliche Zweifel an der Finanzier- barkeit des Kaufes an. Dem laut Anwalt der Kaufwerber/-innen „an sich nicht hohen Kaufpreis“ von 400.000 Reichsmark standen nur Eigenmittel in der Höhe von 40.000 Reichsmark gegenüber ; zudem hatten die Antragsteller/-innen einen sechsprozentigen Wechselkredit über 60.000 Reichsmark aufgenommen ; die rest- lichen 300.000 Reichsmark, die mit vier Prozent zu verzinsen waren, sollten durch weitere Kredite finanziert werden  – ein Vorhaben, das wegen des Belastungsverbots des REG und der Einschränkungen der Kreditaufnahme im Zuge des Entschul- dungsverfahrens kaum Aussicht auf Erfolg hatte. Die Kaufwerber/-innen hatten, um keine Ernteverluste zu erleiden, bereits mit September 1938 die Bewirtschaf- tung der Güter übernommen ; daher fielen zudem erhebliche Betriebskosten sowie Gehalts- und Abfertigungszahlungen für das entlassene Gutspersonal an. Schließ- lich standen mehrere Tausend Reichsmark an Steuern, Gebühren und Anwalts- honoraren zu Buche. Alles in allem würden laut Kalkulation des Anwalts in den folgenden Monaten zusätzliche Kosten von 137.000 Reichsmark auflaufen. Neben dem fragwürdigen Finanzierungsplan mangelte es dem Antrag auch an den not- wendigen Schätzgutachten und Genehmigungen vonseiten der NSDAP und des Reichsnährstandes.156 Schließlich erhob der Sachbearbeiter in der Vermögensver- kehrsstelle auch „rassische“ Vorbehalte gegen einige Kaufwerber/-innen : „Unter
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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