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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 196 -
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196 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe vorgelegt werden.181 Nun begannen die Mühlen der Bürokratie der „Entjudung“ zu mahlen  – und sie mahlten langsam. Zwar konnte ein Hindernis für die Genehmi- gung der Verkäufe, die das Besitzerehepaar zur Abwendung der Zwangsversteige- rung weiterhin forcierte, bald aus dem Weg geräumt werden : Wegen der Streulage und der drohenden Zwangsversteigerung verzichtete die DAG bereits im Novem- ber 1938 auf den Erwerb des Gutes.182 Doch ein anderes Hindernis, die politische und wirtschaftliche Beurteilung der Kaufwerber/-innen, blieb über Monate beste- hen, weil NSDAP-Kreisleitung und Kreisbauernschaft mit ihren Stellungnahmen säumig waren. Die Obere Siedlungsbehörde sprach gar von einer „Verschleppung“ der Angelegenheit und vermutete als Motive der Amtsträger Unschlüssigkeit oder Vorbehalte gegen einzelne Käufer/-innen.183 Sie drängte auf die rasche Genehmi- gung der Kaufverträge, um der für Oktober 1939 anberaumten Zwangsversteige- rung zuvorzukommen ; denn damit wäre das angestrebte Ziel, die „Entjudung“ des Gutes durch Besitzübertragung in bäuerliche Hände, weitgehend erreicht gewesen. Gerade noch rechtzeitig konnten die meisten Kaufwerber/-innen auch diese Anforderung erfüllen  – außer den Eheleuten Franz und Maria Rössler, die in der Nachbargemeinde Orth an der Donau einen 29 Hektar großen Erbhof besaßen. Zwar genehmigte die Obere Siedlungsbehörde bis Oktober 1939 immerhin 17 von 19 eingebrachten Kaufverträgen  – und wendete damit die Zwangsversteigerung des Gutes ab.184 Die beiden Kaufverträge des Ehepaares über elf und fünf Hektar wurden jedoch wegen „erheblichen öffentlichen Interesses“ aufgrund der GVB ab- gelehnt.185 Kreisbauernschaft und Kreisleitung der NSDAP hatten sich gegen die Genehmigung der Kaufverträge ausgesprochen, angeblich wegen zu hoher Ver- schuldung.186 Erschwerend kam hinzu, dass sich etwa zur selben Zeit die  – mitt- lerweile von ihrem jüdischen Ehemann geschiedene  – Besitzerin bereit erklärte, im Fall der Übergabe der Besitzhälfte ihres ehemaligen Ehemannes den Großteil der verbleibenden Flächen an die DAG für Anlieger- und Neusiedlungsverfahren zu veräußern.187 Schließlich wurde der Übergabevertrag zwischen Rudolf und Mar- garete Winternitz  – mit zähneknirschendem Einverständnis von NSDAP-Kreis- leitung und Kreisbauernschaft188  – genehmigt ;189 daher wären von der Absichts- erklärung der nunmehrigen Alleinbesitzerin wohl auch die beiden Parzellen, über die Franz und Maria Rössler noch nicht rechtskräftige Kaufverträge abgeschlossen hatten, betroffen gewesen. Die Eheleute hatten demnach denkbar schlechte Kar- ten, als sie über ihren Anwalt Beschwerde gegen das abschlägige Urteil der Oberen Siedlungsbehörde einlegten. Gegenüber dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das über die Beschwerde entscheiden musste, argumentierten Franz und Maria Röss- ler zunächst mit den vollendeten Tatsachen : Sie bewirtschafteten die strittigen Gründe bereits seit 1936 „ordnungsgemäß“, zunächst pachtweise, das als Käufer/-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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