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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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223Wer ist (k)ein „Bauer“ ? führer, machten widersprüchliche Aussagen, wohl aufgrund des Drucks der einen oder anderen Seite.283 Der größte Druck lastete wohl auf dem 75-jährigen Vater der beiden Kontrahenten, der einerseits gemeinsam mit dem „weichenden Erben“ bereits mehrmals Anträge auf Entmündigung des Hofübernehmers eingebracht hatte, andererseits im Verfahren dessen „Wirtschaftsfähigkeit“ und „Ehrbarkeit“ erklärte.284 Nachdem die „Bauernfähigkeit“ des Erbhofeigentümers noch 1939 be- stätigt worden war,285 folgte das AEG nach langwierigen Ermittlungen nunmehr dem Antrag des Reichsnährstands. Die Richter erkannten dem Erbhofeigentümer die „Bauernfähigkeit“ ab und übertrugen die „Verwaltung und Nutznießung“ des Hofes an dessen Vater als dem nächsten Anerben gemäß des REG.286 Im Zuge neuerlicher Ermittlungen wegen der Beschwerde des Unterlegenen287 gegen dieses Urteil nahm das Verfahren eine überraschende Wendung : Rothensteiner heiratete eine über ein Zeitungsinserat kontaktierte Wiener Geschäftsfrau, der er noch vor der Hochzeit ein Häuschen überschrieben hatte.288 Wie immer diese Heirat auch motiviert gewesen sein mochte  – sie brachte die vormalige Geschlechterunord- nung gemäß der vorherrschenden Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen in ökonomischer und moralischer Hinsicht wieder in Ordnung. Der Reichsnähr- stand zog seinen Antrag zurück mit dem Argument, dass sich die Wirtschaftsfüh- rung durch die Arbeitsteilung des Paares  – er außer Haus, sie im Haus  – merklich verbessert hatte. Dabei blieb die Tatsache, dass die weiterhin in Wien arbeitende und wohnende Frau nur alle 14 Tage auf dem Hof erschien, um das Wäschewa- schen und andere Hausarbeiten zu erledigen,289 unberücksichtigt. Zudem war das Gerede über die „Perversität“ des Erbhofeigentümers im Dorf verstummt. Offen- bar genügte der Obrigkeit der äußere Anschein „ordentlicher“ Wirtschaftsführung und „ehrbaren“ Verhaltens, um die Angelegenheit ruhen zu lassen.290 Das Verfahren, das den zweiten Fall darstellt, befindet sich im rechten unteren Bereich des Raumes der „Bauernfähigkeit“. 1942 behauptete der Horner Kreisbau- ernführer gegenüber dem AEG, dass Maria Huber, Eigentümerin eines 15 Hek- tar umfassenden Erbhofes in Kattau im AGB Eggenburg, bereits zum Zeitpunkt der Anlegung der Erbhöferolle nicht „bauernfähig“ gewesen sei ; damit wäre auch der Erbhofstatus weggefallen. Begründet wurde der Antrag mit der nachlässigen Bewirtschaftung  – die Felder seien „total verunkrautet, teilweise nicht bestellt“  – sowie der mangelnden Zahlungsmoral gegenüber Finanzamt und Sparkasse Eg- genburg. Daran hätten auch die Appelle der Kreisbauernschaft zur Besserung der Missstände nichts geändert. Daraufhin verpflichtete der Kreisbauernführer einige „unabkömmlich“ („uk“) gestellte Bauern in der Gemeinde dazu, die Gründe Hu- bers mitzubetreuen.291 Überdies sei der zur Wehrmacht eingezogene Sohn der Ei- gentümerin wegen mangelnden Interesses für den Hof nicht „bauernfähig“  – ein Vorwurf, den der Kattauer Bürgermeister mit dem Hinweis auf dessen Vorstrafen-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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