Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 226 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 226 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 226 -

Bild der Seite - 226 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 226 -

226 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe freigesprochen, ihn jedoch wegen Verleitung zur „Unzucht“ strafrechtlich verurteilt hatte.303 Das AEG erkannte daraufhin Schweinhammer die „Bauernfähigkeit“ ab und übertrug die Wirtschaftsführung an dessen Ehefrau. Die Frist wurde jedoch angesichts der Aussicht auf „Besserung“ des Verurteilten sowie zur Erhaltung der als „anstandslos“ gewerteten Wirtschaftsleistung auf ein Jahr verkürzt.304 In seiner Beschwerde führte Schweinhammer das in der „Mentalität des Bauern“ verwur- zelte „erdnahe, triebhafte Wesen in sittlichen Dingen“ gegen das Urteil ins Treffen ; daher würden Sittlichkeitsdelikte im bäuerlichen Ehrbegriff weitaus milder beur- teilt als im hierzulande noch nicht „durchgedrungen[en]“ Ehrbegriff des REG.305 Diesen Versuch, zwischen eigensinniger und gesetzlicher Geschlechtermoral zu unterscheiden, wies das Erbhofgericht Wien als nächsthöhere Instanz zurück ; viel- mehr nahm es an, dass der „Bauer“ dem Pflichtjahrmädchen „systematisch nach- stellte“, und sah somit den Tatbestand der „Notzucht“ erfüllt. Im erbhofgerichtli- chen Urteil wurde die Dauer der „Abmeierung“ auf drei Jahre verlängert.306 In der neuerlichen Beschwerde räumte Schweinhammer zwar einen Geschlechtsverkehr mit Anna Maurer ein ; dieser sei jedoch aufgrund der „Avancen“ des Pflichtjahr- mädchens  – und daher in Übereinstimmung mit der bäuerlichen „Geschlechtsmo- ral“  – erfolgt. Der Landesbauernführer entgegnete, dass sich der „Bauer“  – auch im Fall der „Willfährigkeit“ des Pflichtjahrmädchens  – im Hinblick auf das öffentliche Vertrauen in den Pflichtjahrdienst entsprechende Zurückhaltung auferlegen hätte müssen. Das letztinstanzliche Urteil des Reichserbhofgerichts in Berlin folgte im Wesentlichen der Argumentation des Erbhofgerichts ; vor allem unterschied es, einer städtisch-bürgerlichen Sicht folgend, zwischen der „laxe[n] Auffassung in ge- schlechtlichen Dingen“ auf dem Lande und den „ehebrecherische[n] Verfehlungen eines (nach seinen Angaben) glücklich verheirateten Familienvaters im Verhältnis zu einem dem Kindesalter kaum entwachsenen schutzlosen Mädchen“. Die Tat Schweinhammers schade dem „Aufbauwerk des Staates, die zwischen Stadt und Land bestehenden Gegensätze zu überbrücken und die städtische Bevölkerung, namentlich die Jugend, dem bäuerlichen Aufgaben- und Lebenskreise wieder zu- zuführen“.307 Um diese Fälle im Kontext gesellschaftlicher Kampffelder zu interpretieren, werden zwei Bereiche der Alltagspraxis unterschieden : die Vorderbühne, das Ge- schehen vor Gericht, und die Hinterbühne, das Geschehen am Hof, im Dorf und in anderen Domänen des dörflichen Alltagslebens. Beide Bereiche waren eng mit- einander verbunden : Die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens brachte Konflikte, die auf der alltäglichen Hinterbühne entstanden waren, auf die Vorderbühne. Die Auftritte der Akteure auf der Bühne des Gerichts  – mochten sie, etwa dem Rat von Rechtsexperten folgend, noch so strategisch und taktisch inszeniert gewesen sein  – waren nicht völlig abgetrennt von den Routinen des Alltags hinter den Kulissen,
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder