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234 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe
Wachstum zeigte der 18-Hektar-Mischwirtschafterbetrieb von Lambert Ziegler in
Kleinpertholz mit 1,4 Hektar oder knapp einem Zehntel. Den Aufzeichnungen
zufolge baute der Betriebsinhaber 1942 0,7 Hektar Grünland in Ackerland um
und pachtete 1,4 Hektar Wald hinzu, die offenbar 1944 in sein Eigentum über-
gingen. Das relativ größte Wachstum verzeichnete der Gewerbebauern-Betrieb von
Leopold Dutter in Texing mit zweieinhalb Hektar Größe mit 0,5 Hektar oder
knapp einem Fünftel. Dahinter stand die Ausweitung des Grünlandes durch Um-
wandlung von Ackerland 1942 und Zukauf 1943. Die restlichen fünf Beispielbe-
triebe wiesen geringeres absolutes oder relatives Wachstum auf. Bemerkenswert
erscheint noch der für die Kleinbauernfamilien stehende Fall des Leopold Fürst in
Auersthal, der seinen Drei-Hektar-Betrieb durch 0,4 Hektar Weingarten um mehr
als ein Zehntel vergrößerte. Kurz, die zehn Beispielbetriebe vermitteln nicht den
Eindruck von einzementierten Grundbesitzverhältnissen.
Prägten die Tendenzen der Kulturflächenentwicklung, die sich an den zehn Bei-
spielbetrieben nachvollziehen lassen, auch die Gesamtheit der 1.551 Höfe in den
drei Regionen ? Zwar blieb die Flächenausstattung der Höfe von Maschinenmän-
nern, Ochsenbauern und Mischwirtschaftern über die Jahre vergleichsweise beständig.
Doch zeigten die übrigen Höfe kleinere oder größere Schwankungen : Die größte
Kulturflächenänderung verzeichneten die Klein- und Nebenerwerbsbauernfami-
lien mit abnehmender Fläche sowie die Weinhauerfamilien mit einer anfänglichen
Ab- und schließlichen Zunahme der Kulturflächen. Etwas geringere Änderungen
wiesen die Betriebe der Ackerbäuerinnen und Arbeiterbauernfamilien auf. Mittlere
Schwankungen kennzeichneten Zuckerrübenbauern und Gewerbebauern (Tabelle
3.15). Kurz, nicht die vom gesetzlichen Regelwerk des „Grundstücksverkehrs“
her zu erwartende Statik, sondern eine mehr oder weniger ausgeprägte Dynamik
kennzeichnete die (unter-)bäuerlichen Grundbesitzverhältnisse.
Obwohl der Vergleich der jährlichen Kulturflächengrößen bereits eine erheb-
liche Dynamik der Grundbesitzverhältnisse erkennen lässt, bleibt ein Teil davon
verborgen : Er zeigt den Saldo der Kulturflächenänderung, nicht jedoch die Ab-
und Zugänge an Parzellen in den Gruppen gleichartiger Höfe an. Die Gegenüber-
stellung der ab- und aufgestockten Anteile an der bewirtschafteten Kulturfläche
von einem Jahr zum Folgejahr nach Agrarsystemen lässt die Dynamik der Grund-
besitzverhältnisse noch deutlicher hervortreten (Tabelle 3.16). Wiederum zeichne-
ten sich die Maschinenmänner, Ochsenbauern und Mischwirtschafter durch eine ver-
gleichsweise beständige Entwicklung – geringe Schwankungen des Gesamtsaldos,
aber auch der zugrunde liegenden Ab- und Zugänge – aus. Andere Gruppen mit
ebenfalls moderaten Flächenschwankungen erfuhren jedoch erhebliche Ab- und
Zugänge : Die Ackerbäuerinnen und, in geringerem Maß, die Zuckerrübenbauern
verzeichneten erhebliche Ab- und Aufstockungen Der moderaten, aber stetigen
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937