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251„Grundstücksverkehr“
vor Ort
Intensität der Bewirtschaftung – ab. Um die Intensitätsunterschiede der Kulturar-
ten zu bemessen, wurde in Anlehnung an den Umrechnungsschlüssel des Reichs-
nährstandes336 folgende Kalkulation angestellt : Gemessen an der Intensität des
Ackerlandes wog Grünland die Hälfte, Weingarten das Vierfache, Wald ein Viertel
und sonstiges Land, einschließlich Gartenland, das Doppelte. Damit öffnet sich
ein Feld vielfältiger Entwicklungspfade, die an den Beispielbetrieben der zehn
(unter-)bäuerlichen Agrarsysteme fassbar werden. Das eine Extrem markierte der
Ackerbäuerinnen-Betrieb der Frau von Raimund Eder in Raggendorf, der 1941 bis
1944 die Kulturfläche um 20 Prozent verringerte ; da vor allem der Weinbau ein-
geschränkt wurde, nahm die Intensität der Bodennutzung um 8 Prozent ab. Das
andere Extrem zeigten der Kleinbauernfamilien-Betrieb von Leopold Fürst in Au-
ersthal und der Gewerbebauern-Betrieb von Leopold Dutter in Texing : Im ersten
Fall nahm die Kulturfläche um 11 Prozent zu ; da dieser Zuwachs ausschließlich
aus Weingartenparzellen bestand, stieg die Bodennutzungsintensität um 5 Prozent.
Im zweiten Fall erreichten das Kulturflächen- und Landnutzungsintensitätswachs-
tum aufgrund vermehrten Hackfruchtanbaus sogar 18 und 10 Prozent. Zwischen
diesen Extremfällen bewegten sich die übrigen Beispielbetriebe : Kulturflächen-
konstanz und Extensivierung bei Maschinenmännern, Ochsenbauern, Nebenerwerbs-
bauernfamilien und Weinhauerfamilien ; Kulturflächen- und Intensitätskonstanz bei
Arbeiterbauernfamilien ; Kulturflächenkonstanz und Intensivierung bei Zuckerrü-
benbauern ; Flächenaufstockung und Intensitätskonstanz bei Mischwirtschaftern.
Wie die Beispielbetriebe verteilt sich auch die Gesamtheit der (unter-)bäuer-
lichen Betriebe in den Regionen Litschau, Mank und Matzen 1941 bis 1944 auf
verschiedene Entwicklungspfade, die sich nach der Änderung von Kulturflächen-
größe (1 bis 3) und Bodennutzungsintensität (A bis C) ordnen lassen. Erhebliche
Dynamik herrschte in den Bereichen Abstockung und Intensivierung (1A), Absto-
ckung und Extensivierung (1C), Aufstockung und Intensivierung (3A) sowie Aufsto-
ckung und Extensivierung (3C). Dann folgten die Bereiche Intensivierung (2A) und
Extensivierung bei konstanter Fläche (2C) sowie Abstockung (1B) und Aufstockung bei
konstanter Intensität (3B). Schließlich bestand ein statischer Bereich von nahezu
konstanter Entwicklung (2B). Bemerkenswert ist die Streuung der betrieblichen
Entwicklungspfade (Tabelle 3.26) : Insgesamt hielten drei Fünftel der Betriebe
die Kulturflächengröße mehr oder weniger konstant (2), während je ein Fünftel
nennenswerte Abstockungen (2) oder Aufstockungen (3) vornahmen. Neben die
Extensivierung der Bodennutzung durch gut zwei Fünftel der Betriebe (C) traten
die Intensitätskonstanz durch gut ein Drittel (B) und die Intensivierung durch
knapp ein Viertel (A). Im Einzelnen erweisen sich die konstante Entwicklung (2B)
und die extensivierende Flächenkonstanz (2C) mit jeweils einem Viertel der Be-
triebe als Hauptstrategien ; darauf folgen intensivierende Flächenkonstanz (2A),
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937