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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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263Die Steuerung der „Landflucht“ dieser Bühne vorgezeichnet durch die Eingliederung der Ostmark in den Verwal- tungsapparat des Deutschen Reiches, die im März 1940 mit der Auflösung der Österreichischen Landesregierung auf Grundlage des Ostmarkgesetzes vollendet war.37 Als Schutzpatron mit Ablaufdatum nutzte Reinthaller jede Gelegenheit, auf die agrarpolitischen Probleme in der Ostmark aufmerksam zu machen  – und darüber die Notwendigkeit einer Sonderbehörde für die ostmärkische Landwirt- schaft zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang diente die regionale und sek- torale Mobilität ländlicher Arbeitskräfte nach dem „Anschluss“ als Aufhänger für die Projektion des „Landflucht“-Syndroms, das bereits im „Altreich“ heftig debat- tiert wurde, auf die Ostmark. Die besondere Note der ostmärkischen Debatte wird im Vergleich zur reichsministeriellen Diktion deutlich : Darré definierte in seiner Rede am Reichsbauerntag in Goslar 1938 die „Landflucht“ als „ideelles Problem“ ; demgegenüber propagierte Reinthaller, wissenschaftlich legitimiert durch seinen Agrarexperten Ludwig Löhr, eine materielle Problemdefinition. Darüber knüpfte er die Lösung des Landfluchtproblems nicht an rassen-, sondern an wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen gegen die „Unterbewertung der Landwirtschaft“, die in der Ostmark stärker als im „Altreich“ durchschlug.38 Die Verschränkung von materieller Problemdefinition und wirtschaftspolitischem Lösungsansatz ließ das „Bekenntnis zum Blute“ der NSDAP als ungenügend erscheinen, rechtfertigte vielmehr eine Sonderbehörde für die ostmärkische Landwirtschaft. Der Erfolg schien dieser Diskursstrategie Recht zu geben ; im April 1940 übernahm Reinthal- ler die Leitung der Unterabteilung „Bergland“ im Reichernährungsministerium, die anstatt des aufgelösten Wiener Landwirtschaftsministerium eingerichtet wor- den war.39 Wie die wirtschafts- und sozialpolitische Kehrtwende umgesetzt werden sollte, erläuterte der Agrarökonom Ludwig Löhr, der die ministerielle „Landflucht“-Stu- die wissenschaftlich kommentierte. Danach erforderte die Lösung des Landflucht- problems nicht Einzelmaßnahmen wie etwa Lohnerhöhungen, sondern ein ganzes Maßnahmenbündel. Dementsprechend fasste er die vorgeschlagenen Maßnahmen der befragten Kreis- und Ortsbauernführer zusammen : „1. Einheitliche Regelung der Landarbeiterlöhne. 2. Angleichung der Krankengesetzgebung an andere Berufszweige. 3. Neuordnung der Altersversicherung und Herabsetzung der Altersgrenze bei Al- tersrentnern. 4. Regelung der Arbeitszeit, Einführung von Jahresarbeitsverträgen. 5. Verbesserung der Landarbeiterwohnungen. 6. Schaffung von Kleinsiedlungen für Landarbeiter. 7. Erziehung und Schulung zum Landarbeiterberuf (Wecken des Berufsstolzes).
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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