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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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288 „Menschenökonomie“ unter Zwang „Ausländereinsatz“ in der Landwirtschaft des Gaues Niederdonau war spätestens 1944 an administrative Grenzen gestoßen ; daraus ergab sich eine Verlagerung der Steuerungsebene der „Menschenökonomie“ : Die strategische „Einsatzlenkung“ des Gauarbeitsamtes wurde mehr und mehr durch die taktische Improvisation un- tergeordneter Dienststellen ersetzt. Das Bestreben der Arbeitsämter, den „Ausländereinsatz“ auf dem landwirt- schaftlichen Arbeitsmarkt zu lenken, stieß am Eigensinn jener, die Arbeitskraft nachfragten, und jener, die Arbeitskraft unter Zwang anboten, an Grenzen. Am Reichsgau Niederdonau lassen sich solche Reibungsflächen zwischen Fremd- und Selbststeuerung genauer bestimmen. Aufseiten vieler Betriebsbesitzer/-innen stand gegen Ende 1939 und Anfang 1940 das Warten auf die „Polen“ im Vordergrund. Falls diese länger auf sich warten ließen, wurde bisweilen bei den bäuerlichen „In- teressenten“ Kritik laut, die sich auch gegen die Arbeitsämter richtete.112 Mangeln- des Vertrauen in die Tätigkeit der Arbeitsämter veranlasste manche Betriebsleiter/- innen auch, auf eigene Faust ausländische Arbeitskräfte zu rekrutieren.113 Aus bäuerlicher Sicht erschienen die vom Staat zugewiesenen Ausländer/-innen als be- rechtigte Gegenleistung für die entzogenen Inlandsarbeitskräfte und die strengen Ablieferungsverpflichtungen.114 Vor dem Hintergrund des drückenden Arbeits- kräftemangels wuchsen die bäuerlichen Begehrlichkeiten, wie ein Gendarmerie- bericht aus dem Kreis Amstetten vom Mai 1940 andeutet : „Um die Polen und Polinnen raufen sich daher beinahe manche Bauern.“115 Manche Dienstgeber/- innen nützten die Verfügbarkeit der polnischen Frauen und Männer, um den Lohn deutscher Beschäftigter zu drücken oder diese sogar zu entlassen.116 In das Warten auf und manchmal auch „Raufen“ um die polnischen Arbeits- kräfte mischte sich auf Seiten der Landarbeiter und Bauern bald die Sorge um die Unabkömmlichkeitsstellung. So sprach etwa ein Gendarmeriebericht aus dem Kreis Amstetten im März 1940 von der Weigerung zahlreicher Bauern, polni- sche Arbeiter/-innen einzustellen : Die Betreffenden wollten sich „vom Militär drücken“ und daher „polnische Arbeiter nicht einstellen, um selbst in der Wirt- schaft verbleiben zu können“ ; zudem standen Bürgermeister und Ortsbauernfüh- rer, deren „wehrfähige Verwandten- und Bekanntenkreise nicht zum Wehrdienst eingezogen wurden“, im Mittelpunkt des dörflichen Geredes.117 Dass eine Un- abkömmlichkeits-Stellung („uk“) im bäuerlichen Denken Vorrang vor der Zu- weisung ausländischer Arbeitskräfte genoss, zeigt der „Ausländereinsatz“ in der Gemeinde Frankenfels im Kreis St. Pölten : Die 34 Betriebe von Mitgliedern der NSDAP oder der SA verfügten mit im Schnitt 0,23 Zuweisungen 1939 bis 1945 über vergleichsweise weniger ausländische Arbeitskräfte als die 135 übrigen Bau- ernbetriebe, auf die durchschnittlich 0,43 Zuweisungen entfielen. Zusätzlich zur Bevorzugung von Parteimitgliedern bei uk-Stellungen wurden bei der Zuteilung
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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