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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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289Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ ausländischer Arbeitskräfte größere Betriebe gegenüber kleineren bevorzugt.118 Neben der Sorge um die Zurückstellung der Familienangehörigen vom Militär behinderte die verbreitete Entlassung der Arbeitskräfte während des Winters den „Ausländereinsatz“, worauf die Arbeitsämter mitunter heftig reagierten. So wurde im Kreis Zwettl im Dezember 1940 ein Betriebsinhaber, der um Abziehung seines belgischen Kriegsgefangenen ersuchte, mit der „sofortigen Einrückung zum Mi- litärdienst“ bedroht.119 Umgekehrt nährte die Abziehung der Ausländer/-innen während der Wintermonate die Sorge, ob das Arbeitsamt diese im Frühjahr wieder zuweisen würde.120 Das Warten auf „die Polen“ wich mit der Verfügbarkeit neuer Gruppen von Arbeitskräften bald dem Wunsch nach Austausch innerhalb der- selben Kategorie oder zwischen unterschiedlichen Kategorien von Arbeitskräften aus dem Ausland. Häufig wurde, nationalistischen Stereotypen folgend, mit dem „Übermut“ der westlichen Kriegsgefangenen121 und den „verderblichen Einflüssen“ der osteuropäischen Arbeitskräfte122 argumentiert. Doch im Arbeitsalltag schliffen sich solche Stereotypen vielfach ab. So verwies ein Gendarmeriebericht aus dem Kreis Amstetten im Mai 1942 auf den Wunsch der Bauernschaft, die „sowjet- russischen Kriegsgefangenen für die polnischen Zivilarbeiter umzutauschen, da erstere fleißiger, arbeitswilliger und folgsamer sind“123. Die Handlungsmöglichkeiten der Frauen und Männer aus den verbündeten und unterworfenen Staaten Europas, die in der Landwirtschaft des Reiches zur Arbeit eingesetzt wurden, waren erheblich enger begrenzt als jene der bäuerlichen Dienstgeber/-innen. Aufgrund diskriminierender Vorschriften, etwa der „Polen“- und „Ostarbeiter“-Erlasse, war eine Mitsprache bezüglich Dauer und Ort des Beschäftigungsverhältnisses weitgehend eingeschränkt, im Fall der Kriegsgefan- genen, osteuropäischen Zivilarbeitskräfte und „ungarischen Juden“ gänzlich aus- geschlossen.124 Ihren untergeordneten Status erfuhren Osteuropäer/-innen bereits anlässlich der Zuteilung an die Dienstgeber/-innen auf dem Arbeitsamt, die sie vielfach wie einen „Viehmarkt“ wahrnahmen.125 Dennoch wird in den behördli- chen Lageberichten deutlich, dass ausländische Arbeitskräfte trotz der rigorosen Einschränkungen durchaus Möglichkeiten zum Wechsel des Arbeitsplatzes vor- fanden  – und auch nutzten. Derartige Schritte der Ausländer/-innen wurden von den Behörden aufmerksam registriert und scharf geahndet. Die Berichte von Gen- darmen, Landräten, Arbeitsämtern und anderen Dienststellen sprechen immer wieder von „Arbeitsflucht“  – einem Delikt, das den Behörden zur Kriminalisierung der vielfältigen Überlebensstrategien ausländischer Arbeitskräfte diente.126 In den ersten Jahren des „Ausländereinsatzes“ stand noch die befristete oder unbefristete Rückkehr in das Herkunftsland zur Debatte.127 Vielfach trugen die Frauen und Männer aus dem Ausland ihre Wünsche an das jeweilige Arbeitsamt heran  – worauf die Polizeibehörden häufig mit Repressionen reagierten. Einem
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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