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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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300 „Menschenökonomie“ unter Zwang Kriegsgefangenen keine „Arbeitsverweigerungen“ wegen der geltenden Arbeits- zeitregelung aufgetreten wären, provozierten die ausländischen Zivilarbeiter/- innen „meist Streitigkeiten, weil die Leute nicht aufstehen wollen oder, wie es schon vorgekommen ist, am Feld die Arbeit stehen lassen und einschlafen“. Da einige Dienstgeber „bei solchen Vorkommnissen zur Selbsthilfe gegriffen und den betreffenden Ausländer verdroschen“ hätten, wären diese „wegen Misshandlung durch den Betriebsführer“ ersatzlos abgezogen worden. Der Landrat Horn ergreift hier zweifellos Partei für die bäuerlichen Betriebsbesitzer/-innen : „Leider war in diesen Fällen bisher immer wieder nur der Bauer der Bestrafte und hat dies auch dazu geführt, dass die Ausländer tun und lassen, was ihnen beliebt.“151 Jenseits des Vorwurfes der „Faulheit“ gegenüber den ausländischen Zivilarbeiter/-innen ver- weist der Bericht auf unterschiedliche Ordnungsvorstellungen : Zur Arbeitszeit der Kriegsgefangenen bestanden schriftliche Regelungen zwischen Kreisbauernschaft und Wehrmachtsbehörden ; diese schienen aus behördlicher Sicht ausreichend. Die zivilen Ausländer/-innen, deren Arbeitsdauer in geringerem Maß durch Vorschrif- ten geregelt war, wurden in den angesprochenen Fällen wegen der angeblichen Verfehlungen durch körperliche Züchtigung gemaßregelt ; dies rechtfertigte der Landrat als bäuerliche „Selbsthilfe“. In diesen unterschiedlichen Ordnungsvorstel- lungen äußerten sich unterschiedliche Machtverhältnisse : Die Kriegsgefangenen, die sowjetischen ausgenommen, standen unter dem Schutz der Genfer Konven- tion ; bezüglich sowjetischer Kriegsgefangener, ziviler Arbeitskräfte aus dem ehe- maligen Polen und den „besetzten Ostgebieten“ sowie „ungarischer Juden“ schie- nen keinerlei diplomatische Rücksichtnahmen notwendig.152 Dennoch fanden dem Landratsbericht zufolge auch unterprivilegierte Gruppen ausländischer Ar- beitskräfte aufgrund der Widersprüche des „Ausländereinsatzes“ Spielräume vor : Wurden als „Selbsthilfe“ verstandene Prügelstrafen als „Misshandlungen“ amts- bekannt, dann mussten die Dienstgeber/-innen mit dem ersatzlosen Abzug der Malträtierten rechnen. Der Schluss des Landrates, die Ausländer/-innen könnten unter diesen Umständen „tun und lassen, was ihnen beliebt“, verweist auf erwei- terte Verhandlungsspielräume als eine Konsequenz ; die andere bestand darin, die Handgreiflichkeiten nicht über die Hofmauern hinaus dringen zu lassen. Verschärft wurden die Meinungsverschiedenheiten über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit durch die Lagerunterbringung der Kriegsgefangenen, „Ostar- beiter“ und „ungarischen Juden“. Der Hin- und Rücktransport zwischen Lager und Einsatzort, vor allem während der sommerlichen Arbeitsspitzen, schlug als Zeit- verlust zu Buche. Doch auch in den weniger arbeitsreichen Jahreszeiten galten die Transportzeiten als Hemmnisse des „Arbeitseinsatzes“ : „Die Gefangenen werden bei Tagesanbruch auf die Arbeitsplätze gestellt und bei Eintritt der Dunkelheit in die Lager zurückgeführt. Sie können daher weder morgens noch abends zur Stall-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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