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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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318 „Menschenökonomie“ unter Zwang völkerung durchwegs nur Mitleid, zumal es alte Männer und Weiber sind, denen man es ansieht, daß ihre Verpflegung unter dem Existenzminimum liegt.“220 Und er spricht aus, was in anderen Berichten nur im Hintergrund mitschwingt : „Der antisemitische Gedanke wird durch den Einsatz der Juden bei den Volksgenossen auf keinen Fall gefördert. Das Beste wäre, die Juden wieder abzuziehen und sie in einem KZ-Lager ihren Bestimmungen zuzuführen, aber so, daß die Bevölkerung nichts davon sieht.“221 Bleiben rassistische Stereotypen hier noch auf das Denken der Amtsträger beschränkt, werden sie in anderen Berichten auch der Bevölkerung zugeschrieben. Dass Betriebsbesitzer/-innen die Zuweisung ungarisch-jüdischer Arbeitskräfte ablehnten, betrachtet der Landrat Zwettl als „bezeichnend für den gesunden Sinn der bäuerlichen Bevölkerung“.222 Freilich kann daraus nicht ge- schlossen werden, dass sich die Deutungen der bäuerlichen Bevölkerung mit je- nen des Landrats deckten ; gleichwohl ist dessen Deutung nicht einfach von der Hand zu weisen, zumal antisemitische Stereotypen in der politischen Kultur des Waldviertels seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert stark verankert waren.223 Der Einsatz der ungarisch-jüdischen Arbeitskräfte 1944 zeigt ebenso wie der „Po- leneinsatz“ 1940 und der „Russeneinsatz“ 1942, dass die Forderung nach deren Ausschluss aus der ländlichen Gesellschaft neben dem Bestreben stand, sie in die land- und forstwirtschaftlichen Arbeitsabläufe einzuschließen. Die Vorschläge, die Familien ins Konzentrationslager abzuschieben oder bis zur Ernte im Betrieb zu halten, markieren die Enden des Meinungsspektrums zum „Judeneinsatz“. Wie entwickelte sich die Beurteilung der Leistungen ausländischer Arbeits- kräfte in den Augen der Behörden während der gesamten Dauer des Krieges ? Eine längerfristige Serie von Berichten über die Arbeitsleistung der ausländischen Ar- beitskräfte liegt nur vonseiten der Landräte vor. Die Berichte des Landrats Wiener Neustadt zwischen Dezember 1941 und August 1944 zeichnen sich dadurch aus, dass sie hinsichtlich der Arbeitsleistung deutlicher zwischen Militär- und Zivil- angehörigen einerseits, Angehörigen unterschiedlicher Nationalitäten anderer- seits unterscheiden ; die überwiegende Zahl der übrigen Landratsberichte spricht zumeist undifferenziert von „Fremdarbeitern“, „Ausländern“ oder „Fremdvölki- schen“ (Tabelle 4.6, Anhang). Der differenzierende Blick des Landrats Wiener Neustadt findet im Dezember 1941 in einer Erörterung der unterschiedlichen Arbeitsleistung der ausländischen Arbeitskräfte seinen Niederschlag. Am besten kommen die Angehörigen verbündeter Nationen weg : „Die Kroaten und Italie- ner sind arbeitswillig und stehen in allen Belangen zu den politischen Ereignissen positiv.“ Auch die westlichen und südöstlichen Kriegsgefangenen werden positiv beurteilt : „Allgemein gelobt wird die Arbeitsleistung der französischen und ser- bischen Kriegsgefangenen.“ Die schlechteste Beurteilung erhalten die osteuro- päischen Zivilarbeiter/-innen : „Die Polen und Tschechen hingegen sind in ihrer
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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