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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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330 „Menschenökonomie“ unter Zwang matisierung der Minderentlohnung der „Ostarbeiter“ in den Gendarmerie- und Landratsberichten und die daraus folgenden Reibungsverluste veranlassten die Entscheidungsträger zum Handeln. So sprach sich Paul Hönigl, der Sachbear- beiter für den Arbeitseinsatz beim Reichsstatthalter Niederdonau, im Oktober 1942 für eine „lohnmässige Besserstellung“ von gefügigen und arbeitseifrigen „Ostarbeitern“ aus.264 Die Anhebung der Arbeitsentgelte der „Ostarbeiter“ im April 1943 und deren Angleichung an die Lohnsätze der polnischen Arbeits- kräfte im Juli 1944 suchten den Widerspruch zwischen Rassenideologie und „Arbeitseinsatz“ einzudämmen. Doch in vielen Fällen bedurfte es keiner gesetzlichen Regelung, um die Un- stimmigkeiten über die Entlohnung zu entschärfen ; im Gegenteil, die Normen hinkten vielfach der Praxis hinterher. Trotz Verbilligungen bei Futter- und Dün- gemitteln und Preissteigerungen einiger Agrarprodukte sorgten die Erhöhungen der landwirtschaftlichen Löhne nach dem „Anschluss“ dafür, dass sich die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen der bäuerlichen Wirtschaften, besonders der Bergbauernbetriebe, zusehends öffnete.265 Die Reichstarifordnung für polni- sche Landarbeiter/-innen vom Jänner 1940 sollte auch dem rasanten Anstieg der Dienstbotenlöhne einen Riegel vorschieben. Doch bereits im Mai 1940 stellte die Arbeitseinsatzverwaltung „ungehörige Lohnüberbietungen, dies selbst bei polni- schen Arbeitskräften“ fest.266 Über die Strategie der bäuerlichen Dienstgeber/- innen, ihre polnischen Arbeitskräfte über dem Tariflohn zu bezahlen, informiert auch ein Bericht des GP Ardagger vom August 1940 : „In der Sorge, die Arbeits- leute zu erhalten, sind viele Bauern dazu übergegangen, außer den vertraglich fest- gesetzten Löhnen den Polen in Form von Trinkgeldern Zuwendungen zu machen, wodurch diese poln. Arbeitskräfte tatsächlich im Genusse der ortsüblichen Löhne stehen.“267 Offenbar bot der in der ersten Jahreshälfte 1940 noch drückende Ar- beitskräftemangel in der Land- und Forstwirtschaft den Forderungen der polni- schen Arbeitskräfte nach besserer Entlohnung Rückhalt. Manche Arbeitsämter trugen diesem Missverhältnis von Arbeitskräftenachfrage und -angebot Rechnung, indem sie von der Reichstarifordnung abweichende Lohnsätze festlegten. So be- richtet etwa der GP Ardagger im April 1940 von bäuerlichem Unmut über die überhöhten Lohnsätze : „Die Landwirte, welche solche Polen beschäftigen, klagen darüber, dass der vom Arbeitsamt festgesetzte Lohn, und zwar 30–40 Reichsmark pro Monat, zu hoch ist.“268 30 bis 40 Reichsmark  – das lag deutlich über den höchstmöglichen Tariflöhnen von 23,50 Reichsmark für Polen und 15 Reichsmark für Polinnen bei freier Kost und Verpflegung. Offenbar waren die Arbeitsämter bestrebt, den Soll-Zustand an den Ist-Zustand anzunähern. Eine einheitliche Re- gelung erfuhr diese Vorgangsweise im Jänner 1942, als den polnischen Arbeitskräf- ten Leistungszulagen bei „besonders qualifizierter Arbeit“ und „überdurchschnitt-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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