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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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331Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? lichen Leistungen“ zugestanden wurden. Diese betrugen im Höchstfall für Männer 3,52 Reichsmark und für Frauen 2,25 Reichsmark.269 Allerdings verstummten in der zweiten Jahreshälfte die Klagen wegen überzogener Lohnforderungen polni- scher Zivilarbeiter/-innen. Vermutlich engte die Entspannung des Arbeitskräfte- mangels durch den Einsatz der westlichen Kriegsgefangenen die Spielräume für Lohnverhandlungen erheblich ein. Aufgrund der Stimmungs- und Lageberichte der Behörden entsteht der Ein- druck, dass die tatsächlich ausbezahlten Löhne vielfach über den Tariflöhnen la- gen. Folgt daraus umgekehrt, dass diese Lohnsätze nur selten unterschritten wur- den ? Dieser Umkehrschluss wäre ein trügerischer Kurzschluss ; denn die Behörden verfolgten die Überschreitung der gesetzlichen Tariflöhne wohl mit größerer Aufmerksamkeit als deren Unterschreitung. Die Vorschriften für die Entlohnung der ausländischen Zivilarbeiter/-innen und Kriegsgefangenen eröffneten für die Dienstgeber/-innen beträchtliche Spielräume, um die Barlöhne bei überdurch- schnittlicher Leistung anzuheben und bei Minderleistung abzusenken. Neben den gesetzlichen Möglichkeiten brachten die bäuerlichen Dienstgeber/- innen bisweilen auch ihre eigenen Machtmittel zum Einsatz. Helene Pawlik schil- dert die wechselvolle Geschichte ihrer Entlohnung auf einem Bauernhof in Haf- nerbach : „Im 40er Jahr bin ich hergekommen, da ist vorgeschrieben gewesen vom Hitler 18 Mark. Und dann, als ich mehr gearbeitet habe, hab ich 19 gekriegt. Und das ist ge- blieben bis zum 41er Jahr, bis der Sepp [Kind] geboren war, der Sepp ist ja geboren im 41er Jahr, im September. Da hab ich nur zehn Mark gekriegt [weinerlich], nicht mehr […] Ich habe keine Rente, diese zehn Mark, [der Bauer] hat ja keine Krankenkasse gezahlt, einen billigen Arbeiter gehabt.“270 Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass der Bauer der jungen Mutter für die Versor- gung des Kindes den Lohn auf zehn Reichsmark kürzte. Zudem kassierte die Bäue- rin die zehn Reichsmark Alimente, die der polnische Kindesvater bezahlen musste. Offenbar wurden hier ältere, bis in die Zwischenkriegszeit praktizierte Formen der Pflegschaftsübernahme für Ziehkinder in einem neuen Zusammenhang adaptiert. Die Versorgung der außerehelichen Kinder lediger Mägde wurde, wenn diese nicht auswärts Aufnahme fanden, durch die Bauersleute gegen den Abzug von Kostgeld übernommen.271 Im vorliegenden Fall verband sich dieses traditionelle Deutungs- und Handlungsmuster vor dem Hintergrund des akuten Arbeitskräftemangels offenbar mit dem Bestreben der Bauersleute, die von der Abschiebung bedrohte ledige Polin am Hof zu behalten. Für Helene Pawlik hingegen bot angesichts der Alternative, zurück in das Generalgouvernement gehen zu müssen, das Verbleiben
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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