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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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334 „Menschenökonomie“ unter Zwang Die Frage nach ‚Gerechtigkeit‘ oder Ausbeutung im Zusammenhang mit der Entlohnung von Ausländer/-innen kann vor dem Hintergrund der Gesetzeslage klar beantwortet werden. ‚Gerechten‘ Lohn gab es bestenfalls für die zivilen Arbeitskräfte aus Nord-, West-, Süd- und Südosteuropa, für die etwa dieselben Bedingungen wie für deutsche Arbeitskräfte galten, vorausgesetzt es bestanden keine zwischenstaat- lichen Abkommen. Kriegsgefangene aller Nationen und Zivilarbeiter/-innen aus Osteuropa im Allgemeinen, aus der Sowjetunion im Besonderen, waren vergleichs- weise stärker Ausbeutungsverhältnissen unterworfen. Einen Sonderfall stellten die „ungarischen Juden“ dar, denen  – wie den „Ostarbeitern“ bis Juni 1942  – de facto keine Barlöhne zustanden. Das lohnpolitische Regelwerk schrieb neben rassen- auch geschlechter- und generationenbezogene Benachteiligungen fest ; diese hielten sich jedoch weitgehend im Rahmen dessen, was auch deutschen Frauen und Jugendli- chen zugemutet wurde. Die nach Zivil- und Militärbereich getrennte Lohnpolitik gegenüber ausländischen Arbeitskräften in der Landwirtschaft folgte offenbar pri- mär einer nationalistischen und rassistischen Logik ; erst in zweiter Linie kamen Diskriminierungen nach dem Geschlecht und dem Alter zum Tragen. Einige Fälle zeigen aber auch, dass sich die Ausbeutungsverhältnisse des Regel- werks des „Reichseinsatzes“ mit jenen des Bauern- und Gutsbetriebes verbanden. Freilich müssen wir dabei in Betracht ziehen, dass die heutigen Erzähler/-innen da- mals noch vielfach Kinder und Jugendliche waren, denen nach der Tarifordnung für Ausländer/-innen wie den für Inländer/-innen gültigen Maßstäben eine geringere Entlohnung zustand. Doch Forschungen über das bäuerliche Gesinde im Österreich der Zwischenkriegszeit zeigen, dass in der Regel auch inländischen Jugendlichen trotz des Übergewichts der Naturalentlohnung bereits Geldlohn zustand : Burschen bezogen bis zum 16. Lebensjahr neben Kost, Naturalien und Quartier keinen oder einen geringen Bargeldbetrag ; der Statuswechsel vom „Bub“ zum „Knecht“ mit etwa 16 Jahren schlug sich auch in der Gewährung oder Vervielfachung des Geldlohns nieder. Ähnlich war es üblicherweise bei den Mädchen, wo der Statuswechsel vom „Mensch“ zur „Dirn“ einige Jahre später, um das 18. Lebensjahr, stattfand.279 Helene Pawlik und die Mutter von Sergej Zakharovich Ragulin waren zu Beginn ihres Ar- beitseinsatzes in der Landwirtschaft bereits über 20 Jahre alt ; damit standen ihnen den gesetzlichen Bestimmungen zufolge die vollen Lohnsätze für die entsprechen- den Kategorien von Ausländer/-innen zu. Vor diesem Hintergrund repräsentieren die Fälle dieser und anderer ausländischer Landarbeiter/-innen Formen betriebli- cher Ausbeutung hinsichtlich des Geldlohnes. Demgegenüber wurden die gesetzli- chen Bestimmungen in anderen Fällen im Großen und Ganzen eingehalten : Janusz Kieslowski, der in Reinsberg als polnischer Landarbeiter beschäftigt war, erzählt, dass er die 20 Reichsmark Monatslohn wegen mangelnder Konsummöglichkeiten kaum ausgeben konnte ; so legte er Monat für Monat einen Betrag auf die Seite.280
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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