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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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335Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? Bleibt die schwierig zu beantwortende Frage : Wer profitierte von der norma- tiven und praktischen Diskriminierung ausländischer Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft hinsichtlich des Barlohnes ? Die Lohn- und Lohnnebenkosten von Arbeitskräften aus Osteuropa rangierten, wie der Vergleich der entsprechen- den Lohnsätze gezeigt hat, erheblich unter jenen der übrigen Ausländer/-innen und der Inländer/-innen. Das lag zum einen am Vorenthalt von Zuschlägen und Sozialleistungen, die je nach Qualifikation bis zu einem Drittel des Tariflohnes aus- machen konnten,281 zum anderen auch an den vergleichsweise niedrigen Lohnsät- zen in der Land- und Forstwirtschaft. „Polen“, „Ostarbeiter“ und Kriegsgefangene waren für Bauern- und Gutsbetriebe in der Regel zu günstigeren Bedingungen zu haben als für Betriebe in Industrie und Gewerbe. Diese Vergünstigungen gingen im Fall der „Polen“, der Kriegsgefangenen und der ungarischen Juden und Jüdin- nen zu Lasten der ausländischen Arbeitskräfte ; für sie waren niedrigere Bruttoge- hälter als in Industrie und Gewerbe vorgesehen. Im Fall der „Ostarbeiter“ hinge- gen gingen diese Vergünstigungen zu Lasten des Staates ; die Besitzer/-innen von Bauern- und Gutsbetrieben mussten nur einen vom Reichstreuhänder der Arbeit festgelegten Teil der „Ostarbeiterabgabe“ abführen.282 Die Bereitstellung ausländi- scher Landarbeiter/-innen zu besonders günstigen Bedingungen galt als ein Credo nationalsozialistischer Agrarpolitik. So pries etwa Anton Reinthaller im Juli 1942 den „Vorteil der billigen Arbeitskraft in der Landwirtschaft durch den Einsatz von Kriegsgefangenen“. Die Lohnsätze seien „eben so niedrig gehalten, damit auch die kleinen bäuerlichen Betriebe Kriegsgefangene zur Verrichtung der landwirtschaft- lichen Arbeiten einsetzen können“.283 Die nach Nationalitäten unterschiedlichen Differenzen zwischen den Brutto- und Nettoentgelten der Kriegsgefangenen und die „Ostarbeiterabgabe“ kamen hingegen nicht den Bauern- und Gutsbetrieben zugute, sondern flossen in die Kassen der Militär- und Zivilverwaltung. Zudem profitierte die Staatskasse auch von der Regelung des Lohntransfers in das Aus- land. Neben den Betriebsbesitzer/-innen zählte daher auch der NS-Staat zu den Profiteuren der Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte in der Land- und Forst- wirtschaft. Am großbäuerlichen Betrieb des Leopold Marschall in Gän sern dorf lassen sich die Relationen von Leistungen und Gegenleistungen genauer bestimmen. Der etwa 71 Hektar große, fast ausschließlich als Ackerland genutzte Grundbesitz lag im nördlichen Marchfeld.284 Die Besitzerfamilie setzte sich 1940 aus dem 58-jährigen Bauern, der 47-jährigen Bäuerin und der 20-jährigen Tochter zusammen ; im Aus- gedinge lebte die 61-jährige Schwester des Bauern. Entsprechend des im Jahres- rhythmus unterschiedlichen Arbeitskräftebedarfs der Betriebszweige Viehzucht und Ackerbau beschäftigte der Betrieb fünf bis sechs ständige Dienstboten, etwa fünf slowakische Saisonarbeiter/-innen und fallweise einige ortsansässige Taglöhner/-in-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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