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377„Bauerntum“
und Technik – (k)ein Widerspruch ?
Hermann Meisel, Abteilungsleiter für Landtechnik in der Landesbauernschaft Do-
nauland. Dem Autor erscheint der Technikeinsatz in der bäuerlichen Landwirtschaft
als problematisch ; dabei geht es ihm jedoch weniger um das Ob, als um das Wie :
„Der Einsatz technischer Hilfsmittel in der Landwirtschaft darf niemals als tote Me-
chanisierung angesehen werden, jedenfalls nicht im bäuerlichen Betrieb. Dies wäre
schon deshalb falsch, weil es dem Wesen des deutschen Bauern widerspräche. Ebenso
darf der landwirtschaftliche Betrieb niemals nur als Erzeugungsstätte irgendwelcher
Güter betrachtet werden, etwa in der Art, wie ein Fabriksunternehmen angesehen
werden kann. Ein Bauernhof ist eine organische Einheit, er hat es ja auch mit Lebe-
wesen, mit Pflanzen, Tieren und Menschen zu tun.“6
Der Gegensatz zwischen dem Mechanischen und dem Organischen, eine Schlüs-
selmetapher Oswald Spenglers und anderer Wortführer der „konservativen Revo-
lution“ nach dem Ersten Weltkrieg,7 erscheint als Triebfeder – genauer, als konsti-
tutiver Widerspruch – des Argumentationsganges. Diesem Widerspruch begegnet
der Autor weder durch eine anti-modernistische Technikfeindlichkeit noch durch
eine modernistische Technikeuphorie ; vielmehr sucht er diesen durch die organi-
sche Einbettung des Mechanischen aufzulösen. Wie dieser Anspruch umgesetzt wer-
den könne, erläutert er am Gebrauch der Melkmaschine :
„Die Melkmaschine erleichtert die eintönige körperliche Arbeit. Durch die Notwen-
digkeit ordentlicher Bedienung und Pflege der Maschine wird die Arbeit abwechs-
lungsreicher. Das Zurücktreten der physischen Anstrengung ermöglicht die Betreu-
ung einer größeren Stückzahl von Kühen je Person oder aber auch die Verwendung
von Personen, die körperlich weniger leistungsfähig sind, z. B. von Frauen oder von
Menschen in einem Alter, in dem sie sonst nicht mehr voll arbeitsfähig wären. Nun
wäre es aber falsch, das Melken mit der Maschine als reine Mechanisierung ansehen
und zu glauben, jeder Mensch wäre hiefür gleich gut geeignet. Gerade davor müssen
wir uns hüten, wenn auf längere Sicht empfindliche Rückschläge vermieden werden
sollen. Beim Nachmelken kommt der Melker wieder mit seinem Vieh, wenn auch nur
für kurze Zeit, in Berührung. Irgendwelche Veränderungen am Euter oder im Beneh-
men der Kühe, die ja auch beim reinen Handmelken vorkommen können, wird der
Melker bemerken und die nötigen Schlüsse daraus ziehen. Es muß darum gefordert
werden, daß gerade jene Menschen, ob es nun landwirtschaftliche Arbeiter sind oder
Angehörige des Hofes, die das nötige Verständnis für das Vieh hatten, auch weiterhin
als Arbeiter mit der Maschine tätig bleiben. Das rein Technische kann leicht zugelernt
werden, nicht so leicht aber kann einem Menschen, der bisher nicht mit Tieren zu tun
hatte, das Verständnis hiefür erklärt oder in ihm erweckt werden.“8
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937