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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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378 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ Das „rein Technische“ reiche nicht für den Einsatz der Melkmaschine im bäuerli- chen Betrieb ; entscheidend sei die „innere Verbindung“ mit dem bäuerlichen „We- sen“, die im Fall des Melkers über dessen Vertrautheit im Umgang mit den Kühen hergestellt werde. Um von diesem konkreten Fall zu abstrahieren : Die Technik dürfe nicht die Herrschaft über die Menschen erlangen ; sie müsse, umgekehrt, den menschlichen Bedürfnisses dienen. Auf diese Weise gewinnt ein dritter Weg zwischen technikfeindlichem Anti-Modernismus und technikeuphorischem Mo- dernismus Kontur : eine Art Verbindung oder, besser, Versöhnung von Tradition und Moderne. Die Umdeutung des Technischen von einem Teil der ‚fremden‘, westlichen „Zivilisation“ zu einem Teil der ‚eigenen‘, deutschen „Kultur“ im Tech- nikdiskurs der Weimarer Republik und des „Dritten Reiches“ kann als reactionary modernism gefasst werden.9 Freilich erscheint der „reaktionäre Modernismus“ als wissenschaftlicher Begriff zweifelhaft, weil er vom Widerspruch zwischen anti- aufklärerischem und pro-technischem Denken ausgeht und folglich deren Verbin- dung als „paradox“ wertet ;10 doch trifft er die Logik agrartechnischer Eliten in der NS-Ära, die sich etwa im Fall Meisels aus genau diesem Widerspruch konstitu- ierte. So gesehen verfehlt die in der Forschung verbreitete Ansicht : „Die Mechani- sierung der Landwirtschaft stand quer zur Bauernmythologie“11 die hegemoniale Logik des „reaktionären Modernismus“, der Mechanisches und Organisches zu versöhnen suchte. Die Metapher der Landmaschine als „wirkungsvoller Helfer“ des Bauern löst den Widerspruch von „Bauerntum“ und Technik in einer harmo- nischen Verbindung auf.12 Angesichts der politisch-ökonomischen Lage der österreichischen Landwirt- schaft nach dem „Anschluss“  – der Kluft zwischen Extensivierungstendenzen und Intensivierungskurs  – erschien den Entscheidungsträgern im Agrarapparat die Steigerung des Technikeinsatzes als Gebot der Stunde. Meisel sprach 1941 diesbe- züglich Klartext : „Alle diese Umstände veranlassen nicht nur, sie zwingen vielmehr die Landwirtschaft, in weitestgehendem Maße der Technik zum Eingang in die Betriebe zu verhelfen.“13 Der Technisierungszwang erschien als Lösung des Pro- blems der „Preisschere“, dem wachsenden Kaufkraftverlust durch sinkende Ein- nahmen und steigende Ausgaben in den 1930er Jahren.14 Billigere Betriebsmittel versprachen, je nach Größe und Art des Betriebes, eine mehr oder minder spür- bare Ersparnis.15 In den ersten Monaten nach dem „Anschluss“ hatte die Land- maschinenindustrie des „Altreichs“, trotz Wegfalls der Zollschranken, aufgrund des vereinbarten Gebietsschutzes für österreichische Firmen16 nur beschränkten Zugang zum ostmärkischen Absatzmarkt. Nach dem Ausgleich des Preisgefälles zu Jahresende 1938 setzte jedoch die Nachfrage  – Meisel sprach für 1939 von einem „wahre[n] Landmaschinenhunger“17  – nach dem verbilligten Angebot an Landmaschinen voll ein. Demgegenüber wurden die Handelsdüngerpreise man-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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