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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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405Staatshilfe als „Auslese“ österreichische Landwirtschaft von der Last der inneren und äußeren Verschul- dung befreit90  – bestimmte implizit oder explizit auch das wissenschaftliche Ge- schichtsbild : Die „Entschuldung“ habe „langfristig wesentlich zur Verbesserung der Agrarstruktur beigetragen“.91 Erst spät wurde die „apologetische“ Tendenz Lombars betont, ohne jedoch auf dessen Funktion im nationalsozialistischen Ag- rarapparat hinzuweisen.92 Die affirmative Sichtweise Lombars trennt  – gemäß der Figur des in Normen- und Maßnahmenstaat gespaltenen „Doppelstaats“93  – die ‚positiven‘ und ‚negativen‘ Seiten der NS-Herrschaft im Allgemeinen und recht- fertigt die Tätigkeit der Landstellen im Besonderen. Ein kritischer Zugriff müsste die Ambivalenz der NS-Herrschaft im Allgemeinen erfassen und die „Leistungen“ der Landstellen im Besonderen hinterfragen.94 Dieser Anspruch soll an den AGB Kirchberg an der Pielach, Litschau, Mank und Matzen, denen die Fokusgemein- den Frankenfels, Heidenreichstein, St. Leonhard am Forst und Auersthal zugehör- ten, eingelöst werden.95 Verschaffen wir uns zunächst einen Überblick über den Verfahrensablauf am Fall eines 30-Hektar-Bergbauernhofes in Frankenfels, den Leopold Leitner mit seiner Ehefrau bewirtschaftete (Abbildung 5.9). Bis Jahresanfang 1939 hatten sich beträchtliche Zahlungsrückstände angehäuft. Die größte Einzelschuld ver- ursachte ein 1936 gegebenes und kurz nach dem „Anschluss“ aufgestocktes Dar- lehen der örtlichen Raiffeisenkasse für Viehankäufe, das mit 466 Reichsmark zu Buche schlug. Geldaushilfen bei Schadensfällen durch Verwandte, Nachbarn und Bekannte sowie sonstige Darlehen von Privatpersonen machten zusammen 617 Reichsmark aus. Für bezogene Waren und Dienstleistungen stand der Betriebs- inhaber bei Kaufleuten, Handwerkern und Händlern aus der näheren Umgebung mit 408 Reichsmark in der Kreide. Schließlich forderte das Finanzamt Steuerrück- stände in der Höhe von 87 Reichsmark ein. Leitner reichte im Juli 1938 als erster Antragsteller seiner Wohngemeinde das entsprechende Antragsformular ein ; dar- aufhin wurde im September 1938 das Verfahren eröffnet. Nach der Ermittlung des Schuldenstandes von 1.578 Reichsmark erwirkten die Mitarbeiter der Landstelle Wien Nachlässe in der Höhe von 124 Reichsmark, wodurch sich die Verpflichtun- gen auf 1.454 Reichsmark verringerten. Davon wurde das Anstaltsdarlehen in der Höhe von 460 Reichsmark als unkündbare Forderung mit 4,5 Prozent Verzinsung und einem Tilgungssatz von 0,5 Prozent im Grundbuch festgeschrieben. Die übri- gen Gläubigerforderungen wurden durch eine ebenfalls grundbücherlich sicherge- stellte Entschuldungsrente des Deutschen Reiches mit 3-prozentiger Verzinsung und 1,5-prozentiger Tilgung in der Höhe von 1.030 Reichsmark abgelöst. Damit war zwar das Entschuldungs-, aber nicht das gesamte Verfahren ab- gehandelt. Im Zuge des Aufbauverfahrens erhielt der Betrieb 1.990 Reichsmark für Gebäudereparaturen, Inventaranschaffungen und Umstellungskosten ; davon
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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