Seite - 425 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Bild der Seite - 425 -
Text der Seite - 425 -
425Staatshilfe
als „Auslese“
etwa Traktoren, Drillmaschinen oder Bindemäher konnten im Alleineigentum
erst ab einer gewissen Mindestbetriebsgröße betriebswirtschaftlich effizient ein-
gesetzt werden ; Institutionen wie gemeinschaftliche Nutzungsformen konnten
diese Hürde freilich absenken.150 Dementsprechend sahen die Aufbaupläne der
kleineren Betriebe vorwiegend Kleinmaschinen und -geräte vor, während den grö-
ßeren Betrieben auch Großmaschinen und -geräte zustanden. Bis zur Jahresmitte
1944 finanzierte die Landstelle Wien folgende Anschaffungen „toten Inventars“ :
1.975 Anbau- und Bodenbearbeitungsmaschinen, 681 Transportgeräte, 136 Trak-
toren, 1.560 Ernte- und Druschmaschinen, 1.147 Futterbereitungsmaschinen, 33
Milch- und Molkereimaschinen, 78 Weinbau- und Kellereigeräte, 267 Maschinen
und Geräte zur Düngerwirtschaft, 880 Antriebsmaschinen und -geräte sowie 130
weitere Maschinen und Geräte.151
Wenn August Lombar bemerkte : „Die Mechanisierung in den Aufbaubetrieben
hat trotz der kriegsbedingten Schwierigkeiten große Fortschritte gemacht“,152 dann
erscheint diese Erfolgsbilanz im Lichte der regionalen Ergebnisse in zweifacher
Hinsicht als ergänzungsbedürftig : Erstens wurde nur ein Zehntel der Aufbaumit-
tel für die Mechanisierung aufgewendet ; zweitens kamen diese Mittel vor allem
mittleren und größeren Betrieben zugute. Auch für das gesamte Einzugsgebiet der
Landstelle Wien bot sich ein ähnliches Bild : Zur Mitte 1944 lag unter den veraus-
gabten Aufbaumitteln die Ergänzung des „toten Inventars“ mit 17 Prozent nur an
dritter Stelle ; zuvorderst rangierten Baumaßnahmen mit 50 Prozent, gefolgt von
Ergänzungen des „lebenden Inventars“ mit 25 Prozent (Tabelle 5.12). Das für die
Ostmark propagierte „Ziel, durch Technisierung und Chemisierung das reichs-
deutsche Produktionsniveau zu erreichen,“153 wurde durch die Aufbauaktion allein
weder erreicht noch angepeilt. Diesbezüglich stellte das Wochenblatt bereits im Au-
gust 1938 klar, „daß unter Aufbaumaßnahmen nur die notwendigsten und dring-
lichsten Maßnahmen zur Erhaltung und ertragreichen Führung der Wirtschaft
zu verstehen sind und soweit sie nicht ohnedies im Rahmen der normalen För-
derungsmaßnahmen durch die Landesbauernschaft durchgeführt werden“.154 Im
Unterschied zur Ergänzung der Maschinen und Geräte zeigen die Aufwendungen
für Viehergänzungen keinen klaren Zusammenhang zwischen Mitteleinsatz und
Betriebsgröße. Dabei wurden entsprechend den „Anforderungen der Ernährungs-
wirtschaft“ die Ochsenaufzucht zugunsten der Milchviehhaltung zurückgedrängt,
minderleistungsfähiges Vieh „rücksichtslos ausgemerzt“ und die Viehbestände an
die betriebseigene Futterbasis angepasst.155 Genau genommen diente der „Aufbau“
der betrieblichen Gebäude-, Vieh-, Maschinen- und sonstigen Ressourcen nicht
unmittelbar der „Erzeugungsschlacht“, sondern suchte die dafür nötige Sachkapi-
talbasis zu vermitteln.
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937