Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 434 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 434 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 434 -

Bild der Seite - 434 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 434 -

434 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ wurde als Auflage erteilt : „Um den Betrieb auf eine gesunde Grundlage zu brin- gen ist Betreuung unbedingt notwendig.“ Erhebliche Darlehens-, Waren-, Lie- feranten-, Honorar- und sonstige Schulden waren über die Jahre angefallen ; sie mussten, offenbar wegen der geringen „Leistungsfähigkeit“ des Betriebes von 130 Reichsmark, zur Gänze abgelöst werden. Da keine Aufbaumaßnahmen vorgesehen waren, verringerte sich der Schuldenstand um jene Nachlässe, die die Landstelle im Entschuldungsverfahren erwirkt hatte.164 „Fortschrittlichkeit“, „Anspruchslosigkeit“, „Strebsamkeit“ und „Ungeschick- lichkeit“  – treffender als in den Besichtigungsprotokollen der Beispielbetriebe könnte der Stellenwert der wichtigsten Ausprägungen im Machtdispositiv der Entschuldungs- und Aufbauaktion  – der kreditfinanzierten Leistungsbetriebe, der mäßig subventionierten Grenzbetriebe, der hoch subventionierten Aufbaubetriebe und der nicht aufgebauten Betriebe  – kaum auf den Punkt gebracht werden. Diese Zu- schreibungen unterstreichen den differenzierten und differenzierenden Zug der nationalsozialistischen Agrarförderungspolitik in der Ostmark, der  – je nach regi- onalen und betrieblichen Gegebenheiten  – mehr oder weniger Wirkung entfaltete. Differenziert war die Entschuldungs- und Aufbauaktion insofern, als sie an un- terschiedliche, ernährungswirtschaftlich-leistungsbezogene und bevölkerungspo- litisch-umverteilende Momente der nationalsozialistischen Agrarpolitik geknüpft war.165 Differenzierend wirkte die Entschuldungs- und Aufbauaktion insofern, als sie den Betrieben nach Größen- und Leistungsmerkmalen unterschiedliche Förderpakete zuwies. An den AGB Matzen und Kirchberg an der Pielach treten diese Unterschiede prägnant hervor. In Matzener Flach- und Hügelland, wo eine günstige natürliche und Verkehrslage bestand, wurde der betriebswirtschaftliche Effizienzgrundsatz akzentuiert. Überdurchschnittlich leistungsfähige oder, in zeit- genössischer Diktion, „lebensfähige“ Betriebe mit mittleren oder größeren Land- ressourcen wurden großteils mit enormen Aufbaumitteln auf Kreditbasis gefördert. Kleinere Betriebe mit unterdurchschnittlicher Leistungs- oder „Lebensfähigkeit“ wurden meist zwar entschuldet, erhielten aber wenige bis keine Aufbaumittel. Im natur- und verkehrsräumlich ungünstig gelegenen Bergland um Kirchberg an der Pielach wurde die „Leistungsfähigkeit“ mehr an außerökonomischen Gleichheits- maßstäben oder, in zeitgenössischer Diktion, der „Lebenswertigkeit“ gemessen. Auch hier war die Höhe der Aufbaumittel an die Betriebsgröße geknüpft, jedoch weniger ungleich verteilt als in den übrigen Regionen ; zudem wurde der „Betriebs- aufbau“ vorwiegend über Zuschüsse öffentlich subventioniert. Die Lösung des bäuerlichen Verschuldungsproblems knüpfte sich im einen Fall eher an den staat- lich gesteuerten Kreditmarkt, im anderen Fall eher an staatliche Umverteilungen. Der differenzierte und differenzierende Einschnitt in die Agrarstruktur ent- sprach nicht nur der Funktion der Entschuldungs- und Aufbauaktion, sondern
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder