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450 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“
lichen Förderungsmaßnahmen seien kaum berührt ; der Maschinen- und Gerä-
teeinsatz in Betrieb und Haushalt fehle ; schließlich wurde die Einrichtung eines
Lagerhauses zur Erleichterung des Betriebsmittelbezuges und Produktabsatzes er-
wogen. Es erging das Ersuchen an den Reichsstatthalter, den Plan – ausdrücklich
unter Einschaltung der Landesbauernschaft – in diesen Punkten zu ergänzen.216
Der Reichsstatthalter rechtfertigte die Mängel mit Hinweis auf den Zeitdruck, un-
ter dem die Planerstellung gestanden habe. Die Errichtung eines Lagerhauses sei
nicht erforderlich, weil ein solches – neben einer Molkereifiliale und einer Raiffei-
senkasse – bereits bestehe. Die Landesbauernschaft habe bereits Erhebungen be-
gonnen und werde eine verbesserte Planung vorlegen.217
Der Aufbauplan der Hauptabteilung II der Landesbauernschaft Donauland für
das Ybbsitz-Projekt wurde unter Federführung von Leopold Rettinger, der zu Jah-
resanfang 1940 als Experte für Wirtschaftsberatung im Wochenblatt in Erscheinung
getreten war,218 während der Sommermonate ausgearbeitet. Hauptabteilungsleiter
Ernst Feichtinger zeigte sich bei Einreichung des dem Reichsstatthalter übermit-
telten Planes bei der Berglandabteilung im Oktober 1941 sichtlich (selbst-)zufrie-
den mit dem Ergebnis. Das umfassende Text- und Zahlenkonvolut zeige, „daß er
[der Planverfasser] doch mehr kann als Ziffern sammeln“.219 Die Planausfertigung
umfasste drei Teile : eine 50-seitige Bestandsdarstellung und einen 85-seitigen
Wirtschaftsplan, zusammengefasst in einem 25-seitigen Papier über Die biologisch-
technischen Gestaltungs- und Erzeugungsmöglichkeiten des Aufbaugebietes Ybbsitz.
Im Vergleich zur ursprünglichen Planung des Reichsstatthalters zeigte sich die
Fassung der Landesbauernschaft im Problemlösungsansatz systematischer, in der
Grundlagenerhebung minutiöser, in den Folgerungen ambitionierter
– und im Ton
schärfer. Die behauptete Kluft zwischen Ist- und Soll-Zustand
– der „Abstand des
Tatsächlichen vom Möglichen“
– bildete die Triebfeder des planerischen Strebens :
„Aus der Bestandsdarstellung und den Begehungen des Gebietes ergibt sich, daß die
Betriebe in der Mehrzahl extensiv bewirtschaftet werden und im wesentlichen über
Selbstversorgung nicht hinauskommen. Die einfache, veraltete Einrichtung der Be-
triebe und die extensive Führung sind insbesondere bedingt durch ungenügende Aus-
bildung, Schulung und Beratung der Bauern und ihrer Leute, sowie durch fehlende
Voraussetzungen für Erzeugung und Verwertung in den öffentlichen Einrichtungen.
Einzelne gut geführte Betriebe in günstiger Lage erweisen deutlich den Abstand des
Tatsächlichen vom Möglichen.“220
Als Voraussetzung zur Schließung dieser Kluft betrieb der Planverfasser mit
zehn Wirtschaftsberatern und sechs Wirtschaftsberaterinnen aufwendige Erhe-
bungen des Status quo,221 die die bäuerlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937