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474 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“
Zunahmen der Nutzflächen waren die entsprechenden Intensitäten teils steigend,
teils fallend. Hingegen stagnierte in den Berggebieten der Maschinenwert, wäh-
rend das Vieh wertmäßig zulegte. Im Hinblick auf die Wirtschaftsführung etwas
realistischer als der eher fiktive Geldwert des Viehbesatzes ist die Bemessung in
GVE. Die Vieh intensität nahm in den – ohnehin äußerst extensiv mit Vieh aus-
gestatteten
– pannonischen Regionen weiter ab ; dies ging vor allem auf das Konto
der Schweinebestände, die hier von zugekauften, nunmehr verknappten Futtermit-
teln abhingen.268 Die übrigen Produktionsgebiete verzeichneten mehr oder minder
deutliche Viehzuwächse, vor allem dank der Rinderbestände.
Alles in allem zog der Kriegsbeginn keinesfalls einen dramatischen Einschnitt
für die betriebliche Kapitalausstattung nach sich
– ein Moment, das die Akzeptanz
des NS-Regimes durch die bäuerliche Bevölkerung, zumindest in den bevorzugten
Regionen und in den ersten Kriegsjahren, zweifellos förderte. Das östliche und
zentrale Flach- und Hügelland verzeichnete im Wirtschaftsjahr 1939/40 regional
sogar absolute und/oder relative Steigerungen des Maschinen- und Viehbesatzes.
Das nord- und südwestliche Bergland stand jedoch abseits dieser Entwicklung.
Freilich müssen wir in Rechnung stellen, dass die Buchführungsbetriebe in höhe-
rem Maß als der Durchschnitt nach „rationellen“ Kriterien geführt wurden. Der
am Reingewinn orientierte Wirtschaftsstil, der standardisierte Buchführungsauf-
zeichnungen zugleich voraussetzte und nach sich zog, bildete wohl eher die Aus-
nahme als die Regel.
Wenn wir versuchen, den Sachkapitaleinsatz in lokal und regional vergleichender
Perspektive zu vertiefen, führen die Hofkarten kaum weiter ; denn Angaben zur
Düngung sind nicht, zur Maschinenausstattung meist nur für die Betriebe über
fünf bzw. zwei Hektar 1941 verfügbar. Einen gewissen Ersatz für die fehlenden
Düngerangaben bieten die Besichtigungsprotokolle der Entschuldungs- und Auf-
baubetriebe, in denen die Gutachter die verwendeten Stall- und Handelsdünger-
mengen zu bemessen suchten. Die Berichte über 22 Auersthaler Betriebe 1938
bis 1942, die nach der Größe der Acker- und Weingartenflächen in drei Grup-
pen zusammengefasst werden, machen der Stand der Düngung deutlich (Tabelle
5.20) : Die durchschnittliche Stalldüngermenge, die auf einen Hektar Acker- und
Weingartenfläche entfiel, erreichte im unteren Drittel der Betriebe mit etwa 9.000
Kilogramm den Höchstwert, lag im mittleren Drittel bei etwa 7.000 Kilogramm
und war im oberen Drittel mit knapp 6.500 Kilogramm am geringsten. Hingegen
lauteten die Urteile der Fachleute über die verwendeten Mengen an „Kunstdünger“
für das untere Drittel der Betriebe überwiegend „schwach“ und für das mittlere
und obere Drittel überwiegend „mittel“ ; nur ein Betrieb in der Mitte und zwei
Betriebe in der oberen Gruppe wurden als „gut“ gewertet. Die Berichte über 42
Frankenfelser Betriebe 1938 bis 1943, die nach der Größe der Acker- und Wiesen-
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937