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483Kapitaleinsatz
vor Ort
zehn gesenkt, zwei Schafe angeschafft und die Schweinehaltung eingeschränkt.
Der Kleinbauernfamilien-Betrieb von Leopold Fürst in Auersthal umfasste zwei
Milch- und Arbeitskühe, ein Kuhkalb, drei Mastschweine, eine Ziege und einige
Hühner ; hier stand der Anschaffung eines Ochsen die Halbierung des Kuh- und
Schweinebesatzes gegenüber. Auf dem Zuckerrübenbauern-Betrieb von Martin
Holzer in Auersthal wurden anfangs zwei Pferde, sechs Milchkühe, zwei Jungrin-
der, elf Schweine und die übliche Hühnerschar registriert ; in der Folge übertraf
die Abgabe von zwei Kühen die Ausweitung des Jungrinder- und Schweinebe-
standes. Die Frau von Rudolf Moser, die den Nebenerwerbsbauernfamilien-Betrieb
in Loimanns führte, behielt zwar die drei Milch- und Arbeitskühe sowie die Hüh-
ner, reduzierte aber die Zahl der Mastschweine von zwei auf eins. Teils folgten
die Zu- und Abnahmen des Viehbesatzes dem tierischen Lebenszyklus zwischen
Aufzucht, Nutzung und Schlachtung ; teils waren sie Folgen der Anpassung der
Viehhaltung an die jeweiligen Bedingungen.
Erweitern wir die Einblicke in betriebliche Varianten der Viehnutzung zu ei-
nem Überblick über die drei Untersuchungsregionen. Die Beobachtung, dass die
Aufnahme und Aufgabe der Viehhaltung mit (unter-)bäuerlichen Wirtschafts-
strategien verbunden waren, legt folgende Lösung des Problems fehlender Vieh-
standsangaben nahe : Es werden nur jene 48 der 1.551 Betriebe, die 1941 bis 1944
keinerlei Vieh hielten, aus der Berechnung ausgeschlossen. Damit verringert sich
die Grundgesamtheit auf 1.503 Betriebe – einschließlich jener, für die zeitweilig
kein Viehstand verzeichnet wurde. Die stärksten Steigerungen des Viehbesatzes
verzeichneten, von einem niedrigen Niveau ausgehend, die Weinhauerfamilien. Er-
hebliche Ausweitungen erfuhren auch die Viehstände der Ochsenbauern, Misch-
wirtschafter und Maschinenmänner. Einschränkungen wurden bei den Arbeiter-
bauernfamilien und Gewerbebauern verzeichnet. Heftige Pendelbewegungen in
Richtung Ausweitung und wieder retour vollzogen vor allem die Kleinbauernfami-
lien, weiters die Ackerbäuerinnen, Zuckerrübenbauern und Nebenerwerbsbauernfami-
lien (Tabelle 5.23). All diese Tendenzen, die sich aus den berechneten Mittelwerten
ableiten, müssen angesichts der starken Streuungen der Viehbestände, vor allem
bei Arbeiter-, Klein-, Nebenerwerbs- und Weinhauerfamilien, jedoch mit der gebote-
nen Vorsicht betrachtet werden.
Das Problem der Streuung der einzelbetrieblichen Daten um die Mittelwerte ist
zwar nicht lösbar ; doch es ist zu umgehen, indem wir nicht die einzelnen Betriebe,
sondern die Agrarsysteme und Regionen als Untersuchungseinheiten – gleichsam
wie übergreifende Betriebe – betrachten. Aus diesem Blickwinkel liegt die Größe
des einzelbetrieblichen Viehbesatzes auf der Waagschale (Tabelle 5.24). Die stärks-
ten jährlichen Steigerungen des Viehbesatzes gegenüber dem Vorjahr verzeichne-
ten wiederum die Weinhauerfamilien ; sie erweiterten ihren Viehbesatz 1942 um
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937