Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 505 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 505 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 505 -

Bild der Seite - 505 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 505 -

505Das agronomische Expertensystem Was sich auf der ersten Blick als Variation der „Blut und Boden“-Ideologie liest, erscheint bei näherer Betrachtung als Appell, den eingeschränkten Horizont des schollenverhafteten „Bauern“ aufzubrechen und dem politisch-ökonomischen Projekt des NS-Systems zugänglich zu machen  – kurz, die „Hofgemeinschaft“ zu vergesellschaften. Demgemäß enthielt die Broschüre auch Abschnitte über Ernäh- rungssicherung, „Erzeugungsschlacht“ und „Marktordnung“.53 Die Landesbauernschaft Donauland richtete in Urspitz, Kreis Nikolsburg, eine Bauernschule ein und hielt dort Jungbauern- und Jungbäuerinnenkurse ab. Doch bereits 1940 wurde der Betrieb für die Kriegsdauer eingestellt ; daher mussten die Schulungen ehrenamtlicher Bauernführer/-innen, an denen bis zum Jahresende 1940 1.639 Personen teilnahmen, an anderen Orten stattfinden.54 Der Fall Ur- spitz war symptomatisch für die Gesamtheit der Bauernschulen, deren Trägerschaft während des Krieges vom Reichsnährstand an das Reichsamt für das Landvolk der NSDAP überging und zunehmend für Wehrmachtszwecke genutzt wurde.55 Die Erfordernisse der „Kriegserzeugungsschlacht“ verschoben die Gewichte zu den landwirtschaftlichen Fachschulen. Doch insgesamt rückten mit Kriegsbeginn die Fragen der landwirtschaftlichen Schulbildung „in die zweite Reihe“.56 Die Zahlen der Landwirtschaftsschüler/-innen konnten kaum gesteigert werden, weil wegen der Arbeitskräfteknappheit „die Kinder als Arbeitskräfte unentbehrlich wurden und da- her nicht in die Schule geschickt werden konnten“.57 Zudem litten die Land- und Hauswirtschaftsschulen, deren Lehrpläne nach Geschlechtern und Betriebszweigen unterschiedlich ausgerichtet waren, zunehmend unter Mangel an Lehrpersonal.58 Einjährige Landwirtschaftsschulen des Reichsnährstandes bestanden in Niederdo- nau in Gaming, Gmünd und Melk, in Oberdonau in Bad Ischl, Freistadt und Wey- regg.59 Das Gros der Landwirtschaftsschulen unterstand der Behörde des Reichs- statthalters. Allein in Niederdonau existierten 18 einjährige Lehranstalten für die männliche, drei einjährige Lehranstalten und neun Winterschulen für die weibliche Jugend ; an zweijährigen Lehranstalten standen fünf für Burschen, eine für Mädchen zur Verfügung ; höhere Lehranstalten wurden für die männliche Jugend in Eisgrub, Kreis Nikolsburg, und Wieselburg an der Erlauf, Kreis Scheibbs, für die weibliche Jugend in Tullnerbach-Lawies, Kreis St. Pölten, geführt.60 Gleichzeitig mit dem Bedeutungsverlust der Schulausbildung wurde für Jugendliche der Abschluss einer landwirtschaftlichen Lehre propagiert ; damit sollte die Professionalisierung der Landwirtschaft als „Beruf“ vorangetrieben werden. Nach anfänglichen Erfolgsmel- dungen über steigende Lehrlingszahlen in der Landesbauernschaft Donauland61 wurden Appelle wie jener Herbert Backes zur Jahreswende 1942/43 für das „ländli- che Berufserziehungswerk“, um landwirtschaftlich fachkundige und bäuerlich ein- gestellte Siedler für die „wirtschaftliche und blutsmäßige Durchsetzung der neuen Lebensräume“ im Osten zu gewinnen,62 mehr und mehr zur hohlen Phrase.
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder