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509Vordenker
des „Aufbaus“
vor allem staatliche Förderungen, sei es als Zuschüsse, sei es als niedrig verzinste
Kredite, zum Einsatz kommen.69
Innerhalb des Flach- und Hügellandes differenzierte Lechler zwischen dem
südöstlichen und dem nordöstlichen Teil. In den flachen und hügeligen Regionen
der Landesbauernschaft Südmark bestünden drei Probleme : die enorme Grund-
stückszersplitterung, der Bifangbau auf den Äckern und die Feuchtigkeit der Wie-
sen. Beim Bifangbau wurden auf den vielfach extrem schmalen Parzellenstreifen
je zwei Ackerstreifen zur Mitte hin zusammengepflügt ; dadurch entstand eine
erhöhte, vor Feuchtigkeit geschützte Humusschicht, während das Wasser in den
dazwischen liegenden Gräben abfließen konnte.70 Diese an Flureinteilung und
Wasserhaushalt angepasste – und damit das Ernterisiko verringernde – Praxis der
Ackerbestellung stieß beim Autor auf wenig Verständnis : „Es ist unzweifelhaft,
daß der Ertrag bei dieser Bewirtschaftungsart hinter dem möglichen Ertrag, den
der Boden bei neuzeitlicher Behandlung liefern könnte, beträchtlich zurückbleibt.“
Um Abhilfe zu schaffen, empfahl er Grundstückszusammenlegungen, Entwässe-
rungen und – mangels leistungsfähiger Zugochsen oder Pferde in den Kleinbe-
trieben – die Motorisierung der Anbauarbeiten ; dennoch hielt sich der südost-
steirische Bifangbau bis nach Kriegsende.71 Durch „Planung auf lange Sicht“ sei
vorstellbar, die Erträge in diesem Gebiet „außerordentlich heben zu können“. Das
Flach- und Hügelland der Landesbauernschaft Donauland sei „hinsichtlich der
Wirtschaftsweise und der Intensität am ehesten mit der intensiven Landwirtschaft
des Altreiches zu vergleichen“. Das gelte vor allem für die Betriebe an der West-
bahnstrecke und im Umfeld Wiens, wo Verarbeitungsbetriebe wie Zuckerfabriken,
Brennereien und Molkereien die Marktfruchterzeugung anregten. Sogar die Klein-
betriebe – mit Ausnahme jener des ärmlichen Burgenlandes – stünden aufgrund
der Kombination von Acker- und Weinbau auf solider Grundlage. Trotz der Prob-
leme der Preisangleichung an das Altreichsniveau, der Abwanderung von Landar-
beitskräften und der zu starken Abhängigkeit von Futtermittelzukäufen werde die
Kreditversorgung des nordöstlichen Flach- und Hügellandes „keine nennenswer-
ten Schwierigkeiten machen“. Alles in allem sah der Autor die „Grundlage für eine
gesunde Weiterentwicklung“ gegeben.72
Eine gleichfalls umfassende, nach regionalen Betriebsformen differenzierte
Agrarplanung veröffentlichte der Wiener Agrarökonom Ludwig Löhr, vielbe-
schäftigter Experte des Reichsnährstandes und REM, Mitte 1941 in der Artikel-
serie Wechselseitige Forderungen von Agrarpolitik und Landbau.73 Dem Modell des
„Landgutsorganismus“ im Rahmen der „völkisch-politisch geformten Landwirt-
schaft“ folgend, band der Autor die betrieblichen „Erzeugungsleistungen“ an die
natürlichen und wirtschaftlichen Erzeugungsbedingungen. Erstere seien in Form
von Klima, Boden und Geländegestaltung gegeben, Letztere in Form von stand-
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937