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514 Das „Landvolk“ und seine Meister
ermöglichten die Zucht widerstandsfähiger und leistungsfähiger Rinder, die in
niedriger gelegenen Produktionsgebieten mit besserer Futtergrundlage hohen
Nutzen brächten. Dennoch erhebe sich eine Reihe agrarpolitischer Forderungen :
erstens die Verbesserung der Pflege und Nutzungstechnik der Almweiden, etwa
durch Unkrautbekämpfung, Ent- und Bewässerungsanlagen sowie die Trennung
von Wald und Weide ; zweitens die Vermehrung der Winterfuttermenge, vor allem
für das Jungvieh, um den Zwang zum Abverkauf großer Viehbestände im Herbst
oder zum Durchhungern des Viehs über den Winter einzudämmen ; drittens die
Erweiterung der Schafhaltung, um das gegebene Futterangebot optimal auszu-
nutzen ; viertens die Einschränkung des alpinen Getreidebaus nach erfolgter Ver-
kehrserschließung, Preisregelung und Streuversorgung. Neben betrieblichen und
genossenschaftlichen Anstrengungen sei auch die staatliche Agrarpolitik gefor-
dert : erstens im Hinblick auf die verkehrstechnische Erschließung der Berghöfe,
etwa durch Güterwege und Seilbahnen, als „Schlüssel für die von der Agrarpolitik
mit Recht geforderte Intensivierung der alpinen Landwirtschaft“ ; zweitens durch
die Preisregelung in einer Weise, „dass die Erzeugnis- und Betriebsmittelpreise
frei Bergbauernhof mit denen der Tieflandbetriebe übereinstimmen“ ; drittens hin-
sichtlich der Förderung des Stallbaus, der Gülle- und Gärfutteranlagen sowie von
Bodenverbesserungsmaßnahmen ; viertens durch die Forcierung der Mechanisie-
rung der Berglandwirtschaft – nicht nur im Hinblick auf die Anwender, sondern
auch auf die Erzeuger von Landmaschinen und deren „Verständnis auch für berg-
bäuerliche Arbeit“ ; fünftens im Hinblick auf die Lösung der „bestehenden Gegen-
sätze zwischen bergbäuerlichen Existenzfragen und Großforstinteressen“.81
Beide Agrarexperten, der mit den preußischen Agrarverhältnissen vertraute
Walter Lechler wie der Ostmark-Kenner Ludwig Löhr, strichen die Notwendig-
keit einer regional und betriebstypisch differenzierten Lösung der Agrarprobleme
–
genauer, der mangelnden „Übereinstimmung zwischen agrarpolitischem Wollen
und betriebswirtschaftlichem Können“82 – heraus. Hinsichtlich des Standes der
Agrarentwicklung skizzierten beide Planungsentwürfe eine erhebliche Kluft zwi-
schen Landwirtschaft und Industrie im Allgemeinen, zwischen den Betrieben im
Flach- und Hügelland – abgesehen von den extremen Weinbaubetrieben – sowie
den Berglandbetrieben im Besonderen, die etwa an der technischen Ausstattung
deutlich werde :
„Wenn man das Arbeitsfeld eines Großbetriebes im Flachland von Niederdonau be-
tritt, dort den großzügigen Einsatz von Traktoren, Saat-, Hack- und Erntemaschinen
beobachtet sowie den Erfolg der Maßnahmen, die auf eine weitgehende Ersparnis
von Handarbeit abzielen, dann erscheint der Abstand im Vergleich zur Arbeit der
Industrie noch verhältnismäßig bescheiden. Das Bild ändert sich, wenn selbst im
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937