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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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544 Das „Landvolk“ und seine Meister an den Landrat in St. Pölten, abgeschickt. Im ersten Schreiben vom 1. März 1941 beschwerte er sich über die Anhebung der Grundsteuer, die besonders die Bau- ern im Gebirge massiv benachteilige ; in ausschweifenden Schilderungen beleuch- tete er deren ungünstige Produktionsvoraussetzungen, beschwerliche Arbeit und schlechte Einkommenslage.204 Im zweiten Brief vom 3. März 1941 intervenierte er für drei Familien um die Zuerkennung einer Beihilfe : für eine achtköpfige Bauern- familie, der ein Unterhaltsbeitrag für den gefallenen Sohn gestrichen worden sei ; für einen gebrechlichen Bauern, dessen beiden Söhne zur Wehrmacht eingezogen worden seien ; schließlich für die Frau des Gemeindesekretärs, die sich in ärztli- cher Behandlung befinde.205 Daraufhin erhielt der Bauer eine Vorladung zu ei- nem Sprechtag des Landrates, Kreisleiters und Kreisbauernführers in Kirchberg an der Pielach, „um Bitten und Beschwerden der Volksgenossen aus dem Pielachtale entgegen zu nehmen“.206 Der Landrat notierte in einem handschriftlichen Akten- vermerk, dass der Fall anlässlich dieser Aussprache „erledigt“ werden konnte. Der Bauer hatte das Versprechen abgegeben, Bitten und Beschwerden in Hinkunft an die jeweils untersten Behörden zu richten. Damit wurde der Akt zum „Fall Leit- ner“ für die Behörden geschlossen.207 Öffnen wir ihn, um die darin enthaltenen Spuren neu zu lesen. Nach einer ersten Lektüre lassen sich die drei Schreiben dem Genre der Bitt- und Beschwerdebriefe an Amtsträger als Medium politischer Partizipation208 zu- ordnen, wobei unterschiedliche Schreibanlässe vorlagen : Im zweiten Schreiben ging es um ein eher allgemeines Problem, die Besteuerung land- und forstwirt- schaftlichen Grundbesitzes ; das dritte Schreiben erbat Unterstützung für drei Sonderfälle von in Notlage geratenen Familien ; der Anlass für das erste Schreiben, der Entzug staatlicher Sozialleistungen an Alkoholiker, lag irgendwo dazwischen. Die unterschiedlichen Anliegen bezogen sich jedoch allesamt auf eine gemeinsame Vorstellung über das Verhältnis von „Volk“ und Staat. Zur Debatte standen jeweils die Geldflüsse zwischen dem besteuernden und fürsorgenden „Führerstaat“ auf der einen Seite, den besteuerten und versorgten Gruppen der deutschen (Land-)Bevöl- kerung auf der anderer Seite oder, kurz, die moralische Ökonomie der staatlichen Umverteilung : die ‚gerechte‘ Verteilung der bäuerlichen Steuerlasten, die ‚gerechte‘ Unterstützung in Not geratener Familien, ‚gerechte‘ Sanktionen gegen den Miss- brauch von Sozialleistungen. Gemeinsamer Fluchtpunkt der unterschiedlichen Anliegen, die der Bittsteller und Beschwerdeführer in seinen Briefen vorbrachte, war die Vorstellung einer „Volksgemeinschaft“, an dessen Spitze der „Führer“ mit seinen Amtsträgern auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene über die ‚gerechte‘ Verteilung der finanziellen Lasten und Leistungen  – kurz, über die Wohlfahrt der „Volksgenossen“  – wachte. In den Briefen Leitners war der Konflikt zwischen Na- tionalsozialismus und „bäuerlich-katholischem Milieu“209  – die Entfernung der
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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