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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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547Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ Äußerung : „I spür nix, daß besser ist“, die Leistungen des nationalsozialistischen Regimes öffentlich infrage gestellt. In weitschweifigen Ausführungen versucht der Text, die aufrührerischen Worte zu widerlegen, um dem „böswilligen Systemling“ zu „sagen, was wahr ist“.219 Ob diese Worte tatsächlich ausgesprochen oder vom Artikelschreiber nur inszeniert wurden, ist nicht nur ungewiss, sondern für die daran anschließende Kommunikation belanglos. Nun, da die Aussage schwarz auf weiß gedruckt war, erschien sie dem dörflichen Publikum als Tatsache, die auf viel- fältige Weise lesbar war. Zur Debatte stand die Frage, wie sich ein „ehrenhafter Bauer“ verhalten könne, solle und müsse ; und der Artikel gab dazu eine klare Ant- wort : Wer die wohlfahrtsstaatlichen Leistungen des Nationalsozialismus bestreite, stelle sich außerhalb der „Volksgemeinschaft“  – dies umso mehr, als man als Bauer selbst Nutznießer dieser Leistungen, etwa der Erhöhung der Agrargüterpreise, sei. An diesem Artikel lässt sich die Scharnierfunktion der populären Presse für die Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft erkennen. Die Regionalzeitung agierte als Übersetzerin zwischen den Codes von Spezial- und Alltagsdiskursen. Zum einen decodierte sie Aussagen des bäuerlichen Alltagsdiskurses, etwa : „I spür nix, daß besser ist“, um diese im Sinn des Spezialdiskurses als „Böswilligkeit“ eines „Systemlings“ zu codieren. Zum anderen decodierte sie Aussagen des Spezialdis- kurses, etwa über die „Volksgemeinschaft“, und codierte sie im Sinn des Alltags- diskurses als Geschichte der mildtätigen Bauernfamilie, die während der Krise der 1930er Jahre an die bettelnd herumziehenden „Tausende[n] von hungernden Arbeitern“ Almosen verteilte.220 Auf diese Weise vermittelte der Interdiskurs der Regionalpresse zwischen Spezial- und Alltagsdiskurs, ohne gänzlich im einen oder anderen aufzugehen. Darin überlagerten sich Aussagen verschiedener Herkunft zu mehrdeutigen Codes, welche die Kluft zwischen der Fachsprache der Wenigen und der alltäglichen Rede der Vielen zu überbrücken vermochten.221 Doch hinter den schwarz auf weiß sichtbaren Worten stand nicht nur das Ge- wicht des gedruckten Worts, sondern auch das Gewicht der Verfasser/-innen.222 Während der übergreifende Teil der St. Pöltner Zeitung durchwegs von Berufs- journalisten gestaltet wurde, hatten im Lokalteil Informanten und Informantin- nen aus den Gemeinden das Sagen. Nach der nationalsozialistischen „Gleich- schaltung“ des bis dahin christlichsozial orientierten Blattes wurde die St. Pöltner Zeitung zum Sprachrohr der lokalen NS-Elite : NSDAP-Ortsgruppenleiter, Bür- germeister, Ortsbauernführer, NS-Frauenschafts-Führerin, Hitlerjugend-Führer und so fort.223 Als Sprecher/-innen in der dörflichen Öffentlichkeit nahmen die Artikelschreiber/-innen jedoch eine zwiespältige Position ein :224 Einerseits ver- fügten viele von ihnen als Angehörige der Dorfintelligenz über jenes Maß an Bildungskapital, das ihnen  – etwa dem NSDAP-Ortsgruppenleiter als weithin geschätzten Dorfschullehrer, dem Gemeindesekretär als Helfer im Umgang mit
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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