Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 586 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 586 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 586 -

Bild der Seite - 586 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 586 -

586 Ordnung und Chaos des Marktes Bestrafung zu entgehen oder, falls unabwendbar, diese möglichst gering zu halten. Dementsprechend bemühten die Beschuldigten zur eigenen Entlastung und zur Belastung anderer Personen geeignete Argumente. Manchmal belasteten die vor Gericht Stehenden auch sich selbst, um andere, etwa Ehepartner/-innen, zu ent- lasten. Wie auch immer, die vielfach unter Mitwirkung von Rechtsanwälten wohl kalkulierten Aussagen vor Gericht nahmen häufig Bezug auf populäre Diskurse wie auf alltägliche Erfahrungen der Beteiligten. Auf diese Weise legen sie Spuren zum gesellschaftlichen Kosmos, der die gerichtsanhängigen Fälle einbettete. Im Wechselspiel von Positioniert-Werden und Sich-Positionieren im Zuge ei- nes sondergerichtlichen Strafverfahrens waren die Karten ungleich verteilt. Die Sondergerichtsbarkeit beschnitt die Rechte der Angeklagten gegenüber ordent- lichen Strafverfahren erheblich ; sie suchte ‚kurzen Prozess‘ mit als staatsgefähr- dend eingestuften Massendelikten zu machen. Daher gilt das Sondergericht als ein „Mittel der nationalsozialistischen Willkürherrschaft“.65 Doch die ungleiche Verteilung der Karten zwischen Gesetzeshütern und -brechern ging nicht in der Willkür von Polizei- und Justizbehörden auf, wie sich an einem der häufigsten Kriegswirtschaftsdelikte, der „Schwarzschlachtung“, zeigen lässt. Die gängige An- sicht, dass die Sondergerichte auch im Fall von „Schwarzschlachtungen“ von der in der KWVO als Höchststrafe angedrohten Todesstrafe willkürlich Gebrauch mach- ten,66 muss für die Landwirtschaft in Zweifel gezogen werden. Die in der Fachlite- ratur angeführten Beispiele betreffen meist Fleischhauer, Viehhändler oder andere in Fleischverarbeitung und -handel Tätige, die „schwarz“ geschlachtetes Fleisch in großem Umfang, vielfach zu überhöhten Preisen, veräußerten.67 Doch in diesen Fällen bot nicht die „Schwarzschlachtung“ an sich, sondern erst die Kombination mit dem gewerbsmäßigen „Schleichhandel“ den Anlass zur Verhängung der Todes- strafe. Unter den vorliegenden 144 Verurteilungen landwirtschaftlich Beschäftig- ter wegen verbotener Schlachtung von Nutztieren findet sich keine einzige Todes- strafe. Auch die für schwere Verstöße vorgesehene Zuchthausstrafe im Minimum von einem Jahr, im Maximum von sechs Jahren wurde nur in 28 Prozent der Fälle ausgesprochen. Dagegen erhielten 70 Prozent der aufgrund von „Schwarzschlach- tung“ Verurteilten Gefängnisstrafen, die meist ein Jahr nicht überschritten ; viel- fach waren damit auch Geldstrafen wegen Verstößen gegen Steuer- und Preisvor- schriften verbunden. Gegen eine bloß willkürliche Urteilsfindung sprechen nicht nur die fehlenden Todesurteile für „Schwarzschlächter“, sondern auch die nach- weisliche Abhängigkeit des Strafausmaßes vom Tatbestand : Wer in der Haupt- verhandlung nicht entsprechend der Anklage der Staatsanwaltschaft überführt werden konnte, wurde vom üblicherweise dreiköpfigen Richterkollegium meist in einigen oder allen Punkten freigesprochen. Wer nach Ansicht des Gerichts eine „Schwarzschlachtung“, aber keinen verbotenen Verkauf des Fleisches begangen
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder