Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 610 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 610 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 610 -

Bild der Seite - 610 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 610 -

610 Ordnung und Chaos des Marktes delsbeziehungen zu einem professionellen „Schleichhändler“ pflegte. Im dritten Fall verteilte sich die Vermittlerfunktion auf unterschiedliche Akteure : den über- geordneten Makler, der die Logistik des Handelsnetzwerkes vor Ort koordinierte und die „Schwarzwaren“ überregional weiterhandelte, sowie die untergeordneten Makler, die ihre alltäglichen Beziehungen zu den bäuerlichen Viehbesitzern und -besitzerinnen in den Dienst des Netzwerks stellten. In allen Fällen, auch im hochprofessionellen Netzwerk des Unteroffiziers, wa- ren anonyme Marktbeziehungen mit persönlich nicht bekannten Akteuren für die bäuerlichen Schleichhändler die Ausnahme. In der Regel veräußerten die bäu- erlichen Erzeuger/-innen jene Produkte, die sie häufig mit Mehrgewinn an der staatlichen Marktordnung vorbeischleusten, an Personen aus ihrem alltäglichen Erfahrungsbereich  – mithin an Akteure, die aufgrund ihrer Vertrauenswürdig- keit das mit der Schattenwirtschaft verbundene Strafrisiko verringerten. Ländli- che „Schleichhandels“-Netzwerke bestanden meist aus multiplexen Beziehungen, die mehrere Arten von Verhältnissen  – Verwandtschaft, Nachbarschaft, Kredit, Tausch von Produkten und Dienstleistungen und so fort  – bündelten. Die „radi- kale Markterfahrung“ der Konsumenten und Konsumentinnen auf dem großstäd- tischen „Schwarzmarkt“, die wegen des extremen Risikos durch eine „Kultur des Misstrauens“ geprägt war,115 bildete auf der Produktionsseite der Schattenwirt- schaft im ländlichen Hinterland der Großstadt Wien kein vorherrschendes Er- fahrungsmuster. Für die bäuerlichen Produzenten und Produzentinnen „schwarz“ gehandelter Nahrungsmittel überwog vielmehr eine alltagsweltlich eingebettete Markterfahrung, die auf einer aus alltäglichen Beziehungen gespeisten Vertrau- ensbasis beruhte. Freilich entzündeten sich innerhalb dieser Netzwerke immer wieder Konflikte, die zum folgenreichsten Vertrauensbruch  – der Denunziation durch eine Anzeige bei den Behörden  – führen konnten. Es bedurfte daher stets der Abwägung, wem man vertrauen konnte und vor wem man etwas verheimlichen musste  – etwa im Umgang mit ausländischen Arbeitskräften am Hof, die fallweise als Komplizen, fallweise als Denunzianten auftraten.116 Ob bäuerliche Schleichhändler durch Denunziationen ‚von innen‘ oder polizeili- che Ermittlungen ‚von außen‘ enttarnt wurden : Jedenfalls trugen sie ein größeres Risiko, eine Zuchthaus- anstatt einer Gefängnisstrafe zu erhalten, als die bäuerli- chen Schwarzschlächter. Voraussetzung für die Verhängung einer Zuchthausstrafe war der Nachweis eines schweren Verbrechens gegen die KWVO, meist gekoppelt mit einem nachgewiesenen Vergehen gegen die Preisvorschriften ; dazu bedurfte es der Positionierung des oder der Angeklagten als „Kriegsschieber“. Dies vermied das Gericht bei Andreas Kobilic, unter anderem wegen der erwiesenen Notlage, und in anderen Fällen einer „wirtschaftlich bedrängte[n] Lage“117. Zudem werte- ten die Richter bei weiblichen „Betriebsführerinnen“, der Regel der männlichen
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder