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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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613Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften gehen gegen die VRStVO als erwiesen.134 Vor diesem Hintergrund hatte auch die Gnadenbitte, die mit Verweis auf die angeschlagene Gesundheit des Verurteilten und die Bedeutung des von ihm geleiteten Gutsbetriebs für die Ernährungswirt- schaft eingebracht wurde, Erfolg. Die Strafe wurde mit dreijähriger Bewährungs- frist und unter der Auflage, die Eierablieferungsmenge zu steigern, ausgesetzt.135 Was die Eigenart dieses Falles sowie der gesamten Gruppe der bediensteten Ge- treideverfütterer ausmachte, kann am besten negativ bestimmt werden : das, was den übrigen drei Gruppen nicht eigen war, das Nicht-Bäuerliche. Positiv ausge- drückt, die Verurteilten waren großteils vergleichsweise besitzlos, unselbstständig, jung, weiblich und unverheiratet. Teils handelte es sich um Personen auf den un- teren Rängen der ländlichen Gesellschaft : junge Landarbeiter/-innen, verwitwete Kleinhäusler/-innen, ledige Bauernsöhne und -töchter. Teils fanden sich darun- ter Gutsverwalter wie Kappler, die den fehlenden Landbesitz mit der erworbe- nen Fachausbildung aufwogen. Die Produkte, die der Bewirtschaftung entzogen wurden, umfassten, negativ bestimmt, alles außer Fleisch oder, positiv ausgedrückt, Getreide, Gemüse, Kartoffeln, Milch und anderes. Damit im Zusammenhang waren in dieser Gruppe nicht das Massendelikt „Schwarzschlachtung“, sondern „Schleichhandel“ und verbotene Verfütterung häufig vertreten. Diese Delikte wur- den häufig als leichtere Verstöße gegen die Bewirtschaftungsvorschriften gewertet und lediglich aufgrund der VRStVO geahndet. Die unterschiedliche Urteilspraxis war offenbar auch in der Landbevölkerung weithin bekannt ; denn im Fall eines Betriebsbesitzers, der 600 Kilogramm Brotgetreide verbotenerweise verfüttert hatte, sah sich das Sondergericht zur Stellungnahme gegen dieses Erfahrungswis- sen veranlasst : „Diese Gefahr [der Verleitung anderer Betriebsleiter/-innen] ist umso größer, als in weiten Teilen der Bevölkerung die Auffassung vorherrscht, als sei die Zwangsbewirt- schaftung für Getreide, die die Staatsführung aus wohlerwogenen Gründen einge- führt hat, nicht so ernst zu nehmen als wie etwa bei Fleisch und Fett. Dem ist aber nicht so. Gerade das Brotgetreide stellt den Kern der Ernährung des Volkes dar und darf durch unzulässige Verfütterung an das Vieh nicht verschleudert werden, soll die von der Staatsführung genau berechnete Ernährungsgrundlage auf dem Gebiete der Getreidebewirtschaftung nicht erschüttert werden. Und das würde der Fall sein, wenn das Beispiel, das der Angeklagte gegeben hat, in weiten Kreisen der Bauern Schule machen würde.“136 Die Sondergerichte nahmen in Urteilen gegen bedienstete Getreideverfütterer durchaus Bezug auf das „Rechtsempfinden“ der Bevölkerung, etwa hinsichtlich der späten Übernahme der deutschen Rechtsnormen in der Ostmark. Im Fall einer
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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