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648 Ordnung und Chaos des Marktes
chen von Zuckerrüben, Futterrüben und Feldfutter, aber auch die Brache- und
sonstigen Flächen (Tabelle 7.11, Anhang).
Für die Gesamtheit der Gän sern dorfer Gutsbetriebe zeichnet sich eine ähnli-
che Entwicklung ab wie für die (unter-)bäuerlichen Betriebe in Litschau, Mank
und Matzen : der anteilsmäßige Rückgang des Getreidebaus zugunsten des An-
baus anderer Ackerfrüchte. Nach Agrarsystemen betrachtet treten jedoch deutliche
Unterschiede hervor (Abbildung 7.27) : Die Getreide-Milchviehgüter verkleinerten
die Getreideanteile Jahr für Jahr ; dafür rückten zunächst die Hackfrüchte, danach
Garten- und Handelsgewächse auf. Auch die Gesinde-Maschinengüter fuhren in
den ersten Jahren den Getreidebau massiv zurück ; stattdessen nahmen Hülsen-
früchte und Handelsgewächse anteilsmäßig zu. Auf den Taglöhner-Maschinengü-
tern hingegen wurde das Getreide anfangs anteilsmäßig ausgeweitet, später wie-
der eingeschränkt ; zugleich wurden Gartengewächse und Futterpflanzen forciert.
Eine ähnliche Pendelbewegung des Getreidebaus – anfangs Ausweitung, danach
Einschränkung – vollzogen die Marktfrucht-Milchviehgüter ; Gewinner waren die
Hackfrüchte 1942 sowie Handels-, Gartengewächse und Feldfutter 1943, bevor
1944 die Brache- und sonstigen Flächen massiv zulegten. Insgesamt erscheint die
Entwicklung der gutsbetrieblichen Ackernutzung vielfältiger als jene der (unter-)
bäuerlichen ; das lässt auf größere Spielräume der Gutsverwalter hinsichtlich des
Produktionsmitteleinsatzes schließen.
Der Rückzug des Getreidebaus wie die Tendenzen in Richtung Futterpflanzen-
und Handelsgewächsanbau sowohl im (unter-)bäuerlichen als auch im gutsbetrieb-
lichen Segment des Agrarsektors bedürfen weiterer Klärung. Die Ausweitung des
hofeigenen Feldfutteranbaus bedurfte im Wochenblatt keiner langen Erörterung ; sie
erschien, nach dem Wegfall der Futtermittellieferungen aus dem Ausland, schlicht
als Notwendigkeit der Inlandsversorgung :
„Das deutsche Volk braucht zu seiner Ernährung nebst anderem auch Fleisch und
Fett, welche Nahrungsmittel teils ausschließlich, teils zu einem beträchtlichen Teil
vom Vieh geliefert werden. Unsere Viehbestände müssen daher auch im Kriege
hinreichend mit Futter versorgt werden, und wenn bisher bedeutende Mengen von
Kraftfuttermitteln aus dem Auslande eingeführt worden sind, so müssen wir heute
trachten, daß wir die notwendigen Futtermengen zur Gänze aus der eigenen Scholle
zu erzeugen vermögen.“179
Knapper als Ernst Feichtinger, der für die „Erzeugungsschlacht“ zuständige
Hauptabteilungsleiter in der Landesbauernschaft Donauland, hätte es kaum je-
mand sagen können : Es sei klar, „daß Futtermittel, die nicht da sind, auch nicht
verteilt werden können“.180
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937