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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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652 Ordnung und Chaos des Marktes der Felder sollten die Befruchtung fördern, aber auch den Rapsglanzkäfer an sei- nem zerstörerischen Werk hindern ; zudem müssten Schädlinge mechanisch und chemisch, durch Fanggeräte und „Giftmittel“, rechtzeitig bekämpft werden ; die Pflanze zeige ihr Reifestadium durch eine eigene Färbung an ; die Ernte solle bei entsprechender Wahl des Zeitpunkts mit dem arbeitssparenden Bindemäher, bei Überreife mit Sense oder Sichel  – in jedem Fall aber „zeitlich am Morgen“  – erfol- gen ; die Garben müssten zum Nachreifen auf dem Feld in Puppenform aufgestellt werden ; der Drusch erfolge mit der Dreschmaschine ; die Körner dürften keines- falls hoch aufgeschüttet werden, weil sie zum Schimmeln neigten.185 Rund um Raps und Rübsen im Besonderen und die Ölfrüchte im Allgemeinen entspann sich ein hybrides Akteur-Netzwerk, das naturale und soziale Elemente miteinander verknüpfte (Abbildung 7.29). Die Pflanze im Zentrum dieses Netz- werks spielte  – wie ein Akteur186  – keine bloß passive, sondern eine durchaus ak- tive Rolle : Sie stellte, gemäß ihrer Eigenarten, Anforderungen an die Wahl des Standortes, an die Verbesserung der eigenen Wachstumsbedingungen  – Saatgut- wahl, Nährstoffzufuhr, Bieneneinsatz und so fort  – sowie die Verschlechterung je- ner der Konkurrenten  – Unkraut- und Schädlingsbekämpfung  –, an die Sorgfalt bei Ernte und Lagerung. Die Ölfrucht forderte das Denken und Handeln der sie kultivierenden Akteure heraus. Um diesen Anforderungen zu genügen, bedurften die Ölfruchtanbauer/-innen eines Mehraufwandes an Arbeitskraft, vor allem aber an organisch- und mechanisch-technischen Mitteln ; zum effektiven Einsatz von Arbeit und Kapital stieg zudem ihr Bedarf an Expertenwissen über die Kultivie- rung einer Pflanze, mit der sie wenig bis kein Erfahrungswissen verbanden. Über dieses sozio-technische Paket traten die Betriebsbesitzer/-innen in Abhängigkeit von vorgelagerten Produktions- und Handelsunternehmen, etwa für Mineraldün- ger, Landmaschinen oder Saatgut, sowie Forschungs- und Beratungseinrichtungen wie dem Pflanzenschutzamt der Landesbauernschaft, das seine Anleitungen mit Appellen wie „Wir rüsten zur Rapsglanzkäferbekämpfung“187 über das Wochenblatt verbreitete. Zudem banden sie sich über Lieferungsverträge an den nachgelager- ten Verarbeitungsbereich, der sie wiederum mit seinen Haupt- und Nebenpro- dukten wie dem Speiseöl für den menschlichen und Ölkuchen für den tierischen Bedarf versorgte. Die Ölfruchtanbauer/-innen wurden zu Rohstoffproduzenten für nachgelagerte Märkte ; zugleich reproduzierten sie ihre Produktionsfaktoren  – Ma- schinen, Saatgut, Fachwissen und so fort  – zunehmend über vorgelagerte Märkte. Schließlich bedurften all diese Ressourcenflüsse regulierender Eingriffe vonseiten des Agrarapparats unter Federführung des Reichsnährstandes mittels moralischer Zumutungen  – des Ölfruchtanbaus als „nationale[r] Pflicht“188  –, vor allem aber ökonomischer Anreize  – des Ölfruchtanbaus als Garant für den „nötigen wirt- schaftlichen Erfolg“.189 Kurz, rund um den Ölfruchtanbau formierte sich in den
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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