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693Vom
Wert der Landarbeit
folge in höherem Maß vom witterungsempfindlichen, von Jahr zu Jahr schwan-
kenden Weinertrag abhängig als die größeren. Eine Missernte in den Weingärten,
wie sie alle paar Jahre vorkam, bedeutete – gerade unter dem Regime der staatli-
chen Marktpreisregelung – einen Ertragseinbruch unter das Existenzminimum.
Die Einkünfte aus Rinder- und Schweinehaltung stellten ein zweites Standbein
dar. Die Rinderhaltung brachte gut ein Fünftel der Einkünfte ein. Während die
Milcherzeugung, auf der der Schwerpunkt lag, in allen Betrieben gleichermaßen
zählte, nahm die Bedeutung der Rindermast mit wachsender Betriebsgröße zu. Die
Schweinehaltung, die etwa ein Achtel der Einkünfte ausmachte, legte mit wach-
sender Betriebsgröße anteilsmäßig zu. Der Getreideverkauf, mit einem Achtel der
Einkünfte das dritte Standbein, war nur den Mittel- und vor allem den Großbe-
trieben eine Stütze ; die Kleinbetriebe benötigten das Getreide fast zur Gänze zur
Selbstversorgung. Für die größeren Betriebe stellte der Zuckerrüben- sowie, nur
vereinzelt, der Hülsen- und Ölfrüchteanbau ein viertes Standbein dar. Während
die bäuerlichen Hofbesitzer/-innen mit diesen Betriebszweigen ein sicheres Aus-
kommen fanden, waren die Kleinhäuslerfamilien auf zusätzliche Einkünfte ange-
wiesen ; diese stammten vorwiegend aus der unter „landwirtschaftliche Nebenge-
werbe“ rubrizierten Lohnarbeit im bäuerlichen Wein- und Ackerbau.
Während die Verteilung der Einnahmenposten, in Abhängigkeit von den jewei-
ligen Agrarsystemen, die regionalen Unterschiede hervortreten lässt, sind die Aus-
gabenposten der Entschuldungs- und Aufbaubetriebe weitaus ähnlicher gewichtet
(Tabelle 7.32, Anhang). Den größten Anteil nahmen die über die Selbstversor-
gung hinausgehenden Lebenshaltungskosten der Familie ein ; er war am größten
in Kirchberg an der Pielach und Litschau mit etwa einem Drittel, am kleinsten in
Matzen mit einem Fünftel. Das Gewicht der Lebenshaltungskosten – und damit
der familienwirtschaftliche Charakter des Betriebes – nahm mit sinkender Größe
zu ; es erreichte in den kleineren Betrieben in Litschau mit knapp der Hälfte aller
Ausgaben das Maximum, in den größeren Betrieben in Matzen mit etwas mehr
als einem Achtel das Minimum. Mit einigem Abstand folgten die Aufwendungen
für Dünge- und Futtermittel, die im Schnitt ein Sechstel betrugen. Während die
Anteile in Matzen von den kleineren zu den größeren Betrieben erheblich – von
einem auf zwei Zehntel – zunahmen, zeigten die übrigen Betriebsgrößen nur ge-
ringe Schwankungen. Gemessen an den Ausgaben waren im Regionen- und Grö-
ßenvergleich die Matzener Kleinbetriebe am schwächsten, die Großbetriebe am
stärksten mit Dünge- und Futtermittelmärkten oder, genauer, mit deren staatlicher
Bewirtschaftung verflochten. Nur geringfügig niedrigere Ausgabenanteile, zwi-
schen einem Achtel und einem Sechstel, erforderten im Schnitt die Löhne und
Sozialversicherungsbeiträge der familienfremden Arbeitskräfte, die durchwegs
mit der Betriebsgröße zunahmen. Mit Anteilen von einigen wenigen Prozent der
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937